Die EU-Vogelschutzrichlinie - Ein gemeinsames Schutzinstrument

Relevant und praxiserprobt seit 1979

Vögel, ihre Eier, Nester und Lebensräume werden seit 1979 durch geschützt. Die EU-Vogelschutzrichtlinie (VSchRL) erklärt alle in Europa wild lebenden Vogelarten zum „gemeinsamen Erbe“ und unterstellt sie einer „gemeinsamen Verantwortung“. Doch was ist sie genau und was bringt sie?

Uhu sitzt auf einem Baumstumpf, die Ohren sind nach unten gelegt | © Ralph Sturm © Ralph Sturm
1965 gab es nur noch 65 Uhu-Brutpaare in Bayern. Dank der Vogelschutzrichtlinie sind es mittlerweile ca. 500

Das war damals vor 40 Jahren ein ermutigender Schritt im Bemühen, Vielfalt in der Natur zu erhalten und den Artenschwund wenigstens zu verlangsamen. Die Richtlinie hat bis heute manche Versuche verhindert, sie irgendwelchen Wünschen und Forderungen „anzupassen“.

Mit der VSchRL haben die Mitgliedstaaten der EU einen rechtlichen und fachlichen Rahmen erhalten, den sie auf nationaler Ebene umsetzen müssen. Dabei besteht jedoch ein gewisser Spielraum, denn insbesondere bei den Themen Artenschutz und Jagd gibt die VSchRL lediglich Grundzüge des Schutzes aller in Europa vorkommenden Vogelarten vor.

Menschliche Interessen gehen oft vor Nachhaltigkeit und Naturschutz

Alpenlandschaft beim Murnauer Moos | © Wolfgang Lorenz © Wolfgang Lorenz
Naturschutzgebiet Murnauer Moos

Dass die Richtlinie aber grundsätzlich gut konstruiert ist, bestätigte zuletzt der sogenannte Refit-Prozess im Jahr 2016. Zum Abschluss des hierbei durchgeführten öffentlichen Beteiligungsverfahrens konnte EU-Kommissionspräsident Juncker feststellen:

„FFH- und Vogelschutzrichtlinie sind im Rahmen der EU-Biodiversitätsstrategie höchst relevant und erfüllen ihren Zweck.“ Trotz dieser positiven Bewertung kommt es in der Praxis häufig zu Verwerfungen, wenn Naturschutz und Bürokratie zusammenfinden müssen. Die Natur „tickt anders“ als unser Ordnungsstreben, unsere Denkweisen und Gefühle.

Die Dynamik des Lebens mit seiner Vielfalt von Vernetzungen ist so komplex, dass sie oft komplizierte wissenschaftliche Forschung verlangt. Legislaturperioden oder politische Grenzen stehen dieser Komplexität entgegen; manche rechtliche Bestimmung ist zwar gut gemeint, ist aber eben nicht gut genug.

Hinzu kommt, dass menschliche Interessen oft vor Nachhaltigkeit und Naturschutz gehen oder bloße Worthülsen sind. Eine gute politische Absichtserklärung wird dann bereits als Erfolg verkauft, obwohl so noch keinem Vogel geholfen wurde.

LBV als wichtiger Partner

Gemäß Vogelschutzrichtlinie (VSchRL) sind die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, für eine Reihe von Arten die „zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete“ zu Schutzgebieten (Special Protection Areas, SPA) zu erklären. Zunächst verlief die Umsetzung in Bayern wie auch andernorts sehr schleppend.

Mittlerweile sind 84 SPA ausgewiesen worden, die knapp 7,8 Prozent der Landesfläche einnehmen. Der LBV hatte durch die Erarbeitung eines Verzeichnisses wichtiger Vogelgebiete (Important Bird and Biodiversity Areas, IBA) in Bayern einen maßgeblichen Anteil an der Auswahl dieser Schutzgebiete.

Wie die Richtlinie Vögel schützt - Drei Beispiele zeigen die komplexe Anwendung in der Praxis

Uhu: Erfolgsgeschichte mit offenem Ende

Uhu-Jungtiere in Höhle | © Christiane Geidel © Christiane Geidel
Uhus brüten häufig an Felswänden und werden oft durch Freizeitsportler gestört

Der Uhu wurde aufgrund der bis in die 1970er Jahre niedrigen Bestände in Anhang I der VSchRL aufgenommen. Zwei langfristige Studien in Thüringen und Baden-Württemberg dokumentieren, wie gut sich regionale Populationen des Uhus erholt haben.

In Thüringen gab es um 1930 noch neun bis zehn, 1950 sogar nur sieben Brutpaare. 2015 ermittelte man aber etwa 110! In Baden-Württemberg wurde 1937 das letzte Brutpaar festgestellt, 2012 waren wieder 174 sichere Brutpaare nachzuweisen, in Bayern wird ein aktueller Bestand von ca. 500 Brutpaaren angenommen – Entwicklungen, die man als Naturfreund begeistert zur Kenntnis nimmt, zumal sie in beiden Fällen gewissermaßen aus eigener Kraft entstanden sind und nicht auf Wiedereinbürgerung und Aussetzung von Uhupaaren entscheidend angewiesen waren wie in anderen Teilen Deutschlands, etwa in Schleswig-Holstein.

Die nüchterne Schätzung im Atlas der Brutvögel vermerkt für 2005–2009 deutlich über 2.000 Uhupaare bundesweit und einen nach zwischenzeitlichem Bestandstief langfristig gleichbleibenden Bestand. Die beachtliche kurzfristige Zunahme datiert erst seit den 1990er Jahren.

Früher Verfolgung – heute Störung

Geocacher in der nähe eines Uhu-Brutplatzes | © Christiane Geidel © Christiane Geidel
Geocacher in der Nähe eines Uhu-Brutplatzes

Aber Zahlen sagen nicht alles. Wie kommen sie zustande und wie lange können sie gehalten werden? Die ersten notwendigengesetzlichen Schutzmaßnahmen, die vor allem der rücksichtslosen Verfolgung ein Ende machten, galten schon lange vor der Vogelschutzrichtlinie. Sie waren sicher ein erster Anstoß, aus dem katastrophalen Bestandstief herauszukommen. Vogelbestände, die sich nicht ausschließlich auf jährlichen Nachwuchs, sondern auch auf lange Lebenszeit der brutfähigen Altvögel stützen, reagieren besonders empfindlich auf Verfolgung und Störung und sind in der Regel auch dankbar, wenn diese verboten werden – wenn der Lebensraum stimmt.

Der sieht für viele Uhubruten auch heute auf den ersten Blick noch ganz gut aus, doch eine genauere Analyse ergibt eine beachtliche Reihe von Problemen. Zu ihnen zählen Verkehr, Hochspannungsleitungen und Windkrafträder als tödliche Gefahren für Altvögel und flügge Junge sowie zunehmend ausufernder Freizeitdruck auf romantische Fleckchen, an deren Felswänden Uhus brüten.

Kletterer, Wanderer oder Geocacher werden in den bayerischen Alpen und in Mittelgebirgen zur Gefahr für Bruten, die mindestens zehn Wochen in Ruhe gelassen werden sollten. Will man „Freizeitnutzung und Natursportarten“ nicht rigoros ausschließen, muss man es mit Lenkungsmaßnahmen versuchen, die wiederum genaue Kenntnisse der Uhubrutplätze und der umliegenden Landschaft fordern.

Nahrung wird knapp

Weitere Probleme kündigen sich an. Mächtige Jäger unter den Vögeln, die im Zentrum von Nahrungsgeflechtenstehen, leiden zunehmend unter der Verknappung des Nahrungsangebots. Für den Uhu spielen Feldmäuse offenbar eine Schlüsselrolle. Als Winternahrung bilden sie die Grundlage fürs Überleben und die Kondition der Weibchen, die schon früh im Jahr mit der Brut beginnen. Damit entscheiden sie auch mit darüber, ob gebrütet wird, und über die Zahl an möglichen Jungvögeln.

Im Jahresverlauf wird die Beute des mächtigen Vogels vielseitiger und größer, aber die Bestände mancher regional wichtiger Beutetiere haben erheblich abgenommen, sodass die Versorgung der Jungen mit Futter schwieriger geworden ist. Wenn es nicht gelingt, Flächen mit gutem und reichhaltigem Angebot an Beutetieren um Uhubrutplätze zu erhalten, ist eine Abnahme der Großeule bereits programmiert. Nur ein strukturreiches Nestumfeld sichert das Überleben.

Rebhuhn: Jagd auf eine Art mit ungünstigem Erhaltungszustand

Drei ausgewachsene Rebhühner fressen im niedrigen Gras | © Dr. Christoph Moning © Dr. Christoph Moning
Der europaweite Rebhuhnbestand beträgt nur noch 6 %

Das Rebhuhn ist in Anhang II der VSchRL gelistet und damit generell in der EU jagdbar. Gleichwohl ist die Zahl dieser früher weit verbreiteten Feldvögel in knapp vierzig Jahren europaweit um 94 Prozent gesunken. In Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren die Anzahl der Rebhühner halbiert.

Die Jagd auf das Rebhuhn ist zwar nicht die Hauptursache für seinen Rückgang – das ist die intensivierte Landwirtschaft –, aber sie beschleunigt ihn, da sie den Bestand weiter schwächt. Es gibt in Bayern nur noch 2.300 bis 4.000 Brutpaare. Dennoch wurden hierzulande im Jagdjahr 2017/18 824 Rebhühner geschossen.

Der LBV hat deshalb an die bayerischen Jäger appelliert, dem Beispiel ihrer Kollegen aus anderen Bundesländern zu folgen und generell auf die Bejagung zu verzichten. Hauptursache für den Rückgang der Rebhühner ist der Verlust von Ackerrändern, Brachen und Blühflächen in unserer Kulturlandschaft. Zudem werden die Flächen so intensiv bewirtschaftet, dass kaum noch Insekten und Wildkräuter als Nahrung für die Feldvögel zur Verfügung stehen.

In großem Umfang und in atemberaubender Geschwindigkeit wird so der Lebensraum des Rebhuhns zerstört oder unbewohnbar gemacht. Auch das von der EU initiierte sogenannte Greening, dazu gehören der Erhalt von Dauergrünflächen, die Anbaudiversifizierung und die Bereitstellung von ökologischen Vorrangflächen, konnte dem nicht entgegenwirken.

Seit 2015 ist das Greening eine Voraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen. Allerdings haben sich die meisten der umgesetzten Maßnahmen, insbesondere der von vielen Landwirten favorisierte Anbau von Zwischenfrüchten als wirkungslos für den Erhalt der Arten in der Kulturlandschaft erwiesen.

LBV-Resolution zu jagdbaren Arten

Im Oktober 2018 hat die Delegiertenversammlung des LBV beschlossen, dass sich der LBV auf allen politischen Ebenen für eine verbesserte Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie einsetzt, damit die legale Jagd auf in ihrem Bestand rückläufige und mittlerweile gefährdete, jagdbare Vogelarten in den Mitgliedstaaten der EU eingestellt und die illegale Bejagung konsequenter verfolgt wird. In der EU werden jährlich legal ca. 52 Millionen Vögel durch Jäger getötet.

Für viele dieser Arten werden in ihren Brutgebieten wegen ihres besorgniserregenden Erhaltungszustands Schutzmaßnahmen umgesetzt, die durch legale wie illegale Entnahmen konterkariert werden.

LBV-Resolution zu 40 Jahren EU-Vogelschutzrichtlinie

Zitronenzeisig: In der Richtlinie übersehen

Zitronenzeisig auf Ast | © H.-J. Fünfstück © H.-J. Fünfstück

Der unscheinbare Finkenvogel hat einen geringen Bestand, besondere Ansprüche an seinen Lebensraum und ein kleines Verbreitungsgebiet in den Alpen, Pyrenäen und einigen Mittel- und Hochgebirgen Deutschlands, der Schweiz und Spaniens.

Daher müsste er eigentlich in Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgelistet sein, dort fehlt er aber. Er wurde er bei der Auflistung schlicht übersehen.

Es geht zumindest einigen Populationen nicht gut, aber der Zitronenzeisig wird auch ohne EU-Schirm durchkommen, wenn die zuständigen Länder gut auf ihn aufpassen.

In Deutschland ist er als „gefährdet“ eingestuft und darf daher beim Jubiläum der EU-Vogelschutzrichtlinie nicht übergangen werden.

Stand der Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie in Bayern – Es gibt noch viel zu tun

Feldlerche auf einem Stein | © Frank Derer © Frank Derer
Für bodenbrütende Arten wie z.B. die Feldlerche wären artenspezifische Schutzprogramme dringend notwendig

Rechtliche Sicherung der Gebiete

Der rechtliche Schutz der SPA vor Beeinträchtigungen ist in ganz Deutschland vielfach noch nicht ausreichend; daher läuft derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland.

Erarbeitung und Umsetzung von Managementplänen für alle SPA

Bis alle Managementpläne als wichtige Grundlage für Schutzmaßnahmen in den Gebieten fertiggestellt sind, wird es auch in Bayern sicher noch einige Jahre dauern.

Bereitstellung ausreichender finanzieller und personeller Mittel für die Erarbeitung und Umsetzung der Managementpläne

Die schleppende Umsetzung der VSchRL ist auch darauf zurückzuführen, dass dafür nicht ausreichend personelle und finanzielle Mittel bereitgestellt werden.

Aufbau einer wirkungsvollen Effizienzkontrolle und Monitoring

Nach wie vor fehlt es an einer Kontrolle des Erhaltungszustands der Schutzgebiete und der dort umgesetzten Maßnahmen sowie der Bewertung von Eingriffen und Nutzungen, z.B. großflächigem Einschlag im Wald oder intensiver Grünlandbewirtschaftungin Wiesenbrütergebieten.

Verstärkte Erarbeitung und Umsetzung von Artenhilfsprogrammen

Dank artenspezifischer Schutzprogramme konnte ehemals stark gefährdeten Arten wie z.B. Weißstorch, Wanderfalke, Uhu und Wiesenweihe geholfen werden; für weitere Arten, speziell Wiesenbrüter und bodenbrütende Feldvögel, wären umsetzungsorientierte Artenhilfsprogramme dringend notwendig.

Mehr Akzeptanz für das europäische Schutzgebietsnetz Natura 2000

In den kommenden Jahren ist es notwendig, Aktionen durchzuführen, damit Natura 2000 einen größeren Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit und damit mehr Akzeptanz erhält. Dies soll auch dazu führen, dass mehr Gelder und Personal zum Erhalt der Gebiete bereitgestellt werden, denn nur so können zentrale Umsetzungsmaßnahmen und eine Vernetzung der Gebiete ermöglicht werden.

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