Die Radiotelemetrie-Projekte an Brachvogelküken

In vielen bayerischen Wiesenbrütergebieten werden jedes Jahr nur sehr wenige, manchmal gar keine Brachvogel-Küken flügge. Besonders die Zeit zwischen Schlupf und den ersten erfolgreichen Flügelschlägen ist von hohen Verlusten geprägt. Diese gefährliche Zeit im Leben der Brachvögel erforscht der LBV im Rahmen von Radiotelemetrie-Projekten genauer, um so geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen zu können.

Brachvogel_Telemetrie-Gelände | © Tobias Petschinka © Tobias Petschinka
Ein Gebiet in dem das neuartige Ortungssystem von Brachvögeln erprobt wird

Schutz der Brachvögel-Nester

Bracvogelküken | © Verena Rupprecht © Verena Rupprecht
Die Brachvogelküken werden nach dem Schlupf mit kleinen Radiosendern ausgestattet.

Durch extensive Wiesenbewirtschaftung, kurzfristige Verschiebung von Mahdterminen und Elektro-Schutzzäune gelingt es oftmals, die Nester der Brachvögel vor Zerstörung oder Fressfeinden zu schützen. In den meisten Jahren kommen in gut betreuten Wiesenbrütergebieten in Bayern so zahlreiche Küken zum Schlupf. Nun dauert es allerdings noch etwa 5-6 Wochen, bis die Küken fliegen können und so den gefährlichsten Abschnitt ihres Lebens hinter sich bringen konnten.

Mehr Jungtiere müssen flügge werden

Älteres Brachvogelküken | © Franziska Wenger © Franziska Wenger
Die älteren Brachvogelküken werden mit individuellen Farbringen ausgestattet, damit wir sie auch nach dem Telemetrie-Projekt wiedererkennen.

Brachvögel sind Nestflüchter und schon wenige Stunden nach dem Schlupf in den Wiesen unterwegs. Hier werden sie von ihren Elternvögel zwar gehudert und durch Warn- und Lockrufe geführt, doch müssen sie selbstständig nach Nahrung suchen und sich gut verstecken, sollte ein Fuchs oder ein anderer Fressfeind in der Nähe sein. Pro Brutpaar und Jahr müssten 0,4 Küken überleben, um den Bestand in der bestehenden Größe zu erhalten. Allerdings wäre nach den starken Bestandseinbrüchen in den letzten Jahrzehnten dringend eine Trendumkehr und ein Anstieg der bayerischen Brachvogelpopulation notwendig.

Doch hiervon sind wir in den meisten Wiesenbrütergebieten weit entfernt. Nur selten wird der notwendige Wert von 0,4 erzielt, oftmals wird gar kein Jungtier flügge. Um hier zielgerichtete Maßnahmen zum Schutz der Küken in diesen sensiblen Wochen entwickeln zu können und aktuelle Schutzmaßnahmen zu optimieren, startete der LBV gemeinsame mit der Regierung Mittelfranken 2018 ein Pilotprojekt im Altmühltal. Mittlerweile wurden ähnliche Projekte auch in drei weiteren Gebieten etabliert.

Direkt nach dem Schlupf werden die Küken mit winzigen Radio-Sendern ausgestattet. Diese kleinen Sender geben ein Signal auf einer bestimmten Radio-Frequenz aus. Diese Frequenz kann durch uns dann mittels einer Antenne detektiert werden und so durch Kreuzpeilung die Position des Kükens in der Wiese bestimmt werden. Dies wird in allen Gebieten zweimal täglich durchgeführt. 

Ziele der Projekte

  • Kurzfristige Schutzmaßnahmen, wie Mahdverschiebungen oder Besucherlenkungen während der Wiesenbrütersaison. So können wir Verluste durch Bewirtschaftung verhindern. 
  • Die Verlustursachen der Küken in Erfahrung zu bringen. Wie muss der Lebensraum gestaltet sein, damit sich die Küken und Fressfeinde möglichst nicht begegnen? Welche anderen Verlustursachen gibt es? 
  • Die Lebensraumnutzung der Brachvogelfamilien in den Projektgebieten zu untersuchen und daraus Schutzmaßnahmen abzuleiten. Wie wirken sich bestimmte Lebensraumstrukturen, Witterungsbedingungen oder Besucherdruck auf das Verhalten oder die Entwicklung der Küken aus? Wie verändert sich dies über die Zeit, in der die Küken größer und mobiler werden? 

...um so insgesamt den Bruterfolg zu erhöhen! 

Neben der klassischen Methode der Peilung mittels Handantennen, erproben wir eine neue Technik, die uns ermöglicht, rund um die Uhr Daten unserer Küken zu erhalten. Hier gibt es mehr Infos dazu! 

Diese Radiotelemetrieprojekte sind aufwendig und nur mit lokalen Partnern möglich. Hierfür arbeitet der LBV im Auftrag der Regierung Mittelfranken, des Landkreises Neuburg Schrobenhausen und unter Förderung der Regierung Niederbayern und der Regierung Oberpfalz. Zudem kooperieren wir mit lokalen Akteuren, wie dem Landschaftspflegeverband Dingolfing-Landau.  

Radiotelemetrie an Küken des Brachvogels

Die klassische Telemetrie mit der Handantenne ist aufwendig und man kann nur wenige Positionsdaten pro Tag bestimmen. Ein neu entwickeltes System ermöglicht es uns nun, die Daten der Küken rund um die Uhr aufzuzeichnen und dies mit deutlich reduzierter Störung im Gebiet.

Neues Ortungssystem hilft die Position der Küken besser zu bestimmen

Mit unseren klassischen Radiotelemetrie-Projekten können wir regelmäßig die Positionen der Küken bestimmen und zeitnah feststellen, wenn Familien abwandern oder es Verluste von Küken gibt. Meist wissen wir aber nicht, wann genau Küken abhandenkamen oder wie genau die Familien ihren Lebensraum über den Tag hinweg nutzen. Wo übernachten beispielsweise die Küken? Daher wurde 2021 erstmals im Rahmen eines Pilotprojekts im Altmühltal der Einsatz eines neuartigen Ortungssystems erprobt. Da die ersten Ergebnisse sehr vielversprechend waren, wurde das System 2022 weiter ausgebaut und zukünftig sollen auch andere Wiesenbrütergebiete von dieser Telemetrie-Technik profitieren. 

Live-Übertragung der Senderdaten

Im Rahmen einer Forschungskooperation mit der Universität Marburg wurde eine technische Anpassung gegenüber den bisher genutzten mobilen Empfangsantennen, entwickelt. Gemeinsam mit tRackIT Systems führt der LBV seitdem in zwei Gebieten Projekte mit dieser Technik durch. Die stationären Empfänger im Gelände ermöglichen eine Live-Übertragung der aufgezeichneten Senderdaten, wodurch eine störungsärmere Standortbestimmung rund um die Uhr realisiert werden konnte.

Darüber hinaus lassen sich aus den empfangenen Daten tägliche Aktivitätsmuster ableiten und eventuelle Senderverluste oder Prädation unmittelbar feststellen – samt Uhrzeit und genauem Ort. Das System und die erhaltenen Daten werden immer weiterentwickelt und inzwischen auch in Norddeutschland in Wiesenbrütergebieten eingesetzt. 

Finanzielle und technische Unterstützung unserer Projekte

Der Deutsche Rat für Vogelschutz (DRV) fördert dieses Pilotprojektes. Die meisten Wiesenbrüterarten stehen auf der Roten Liste in Kategorie 1 (vom Aussterben bedroht), sodass vielversprechende Neuentwicklungen zur Verbesserung der Schutzoptionen im Interesse des DRV liegen. Die Audi Stiftung für Umwelt unterstützt die Weiterentwicklung der Technik ebenfalls finanziell. Das System findet inzwischen auch Anwendung in Wiesenbrütergebieten in Norddeutschland und viele weitere Gebiete und Akteure zeigen großes Interesse.

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