VOGELSCHUTZ 3-22

VOGELSCHUTZ 3|22 37 FOTO: RALF HOTZY Um den Artenrückgang in unserer Offenlandschaft zu bremsen, muss sich nicht nur die landwirtschaftliche Nutzung ändern und die zunehmende Flächenversiegelung und -zerstückelung gestoppt werden. Ebenso wichtig sind der Erhalt, die Schaffung und Vernetzung vielfältiger Lebensräume. Die Verinselung der letzten Biotope in unserer Agrarlandschaft sorgt für unüberwindbare Abstände zwischen Lebensräumen und ihren Tier- und Pflanzenpopulationen. Der übermäßige Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln dezimiert Lebensräume auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, und in intensiv genutzten Regionen fehlen Feldraine, Wiesenwege oder Hecken, die verbindende Strukturen zwischen Biotopen bieten. Werden die verbliebenen Gemeinschaften geschädigt oder sterben sie aufgrund einer lokalen Katastrophe aus, kann eine rasche Bestandsstärkung bzw. Wiederbesiedlung aus angrenzenden Lebensräumen nicht erfolgen. Eine räumliche Vernetzung ist außerdem notwendig, damit Arten angesichts sich ändernder klimatischer Bedingungen in geeignete Gebiete umsiedeln können und damit ein genetischer Austausch zwischen Populationen erfolgen kann. Fehlt Letzterer werden die Populationen krankheitsanfälliger und können im äußersten Fall zusammenbrechen. Um diese Entwicklungen zu stoppen, muss wieder ein Biotopverbund entstehen. Dieser sollte sich sowohl aus großflächigen Schutzgebieten, die qualitativ hochwertigen Lebensraum für Arten bieten, als auch aus Trittsteinbiotopen und Ausbreitungskorridoren als Verbindung zwischen den Lebensräumen zusammensetzen. Landwirtschaftliche Betriebe sind hierzu genauso einzubeziehen wie andere Flächeneigentümer und -bewirtschafter, etwa Kommunen oder Kirchen. Im Idealfall sollten die Biotope in eine extensiv genutzte Landschaft eingebettet sein. Durch das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ wurde gesetzlich festgelegt, dass ein Netzwerk räumlich oder funktional verbundener Biotope zu schaffen ist, ein sogenannter Biotopverbund. Die Vorgabe lautet, dass dieser bis 2023 mindesten zehn Prozent und bis zum Jahr 2027 mindestens 13 Prozent der Offenlandfläche Bayerns umfassen soll. Durch das von Ministerpräsident Dr. Markus Söder initiierte Begleitgesetz wurde das Ziel sogar auf 15 Prozent der Offenlandfläche bis 2030 erhöht. Besonders wichtig ist dabei der funktionale Zusammenhang der Biotope, denn beispielsweise eine Hecke über einen Teich mit einer extensiven Wiese zu verbinden, wäre unwirksam, da dort unterschiedliche Arten mit unterschiedlichen Ansprüchen vorkommen. Bislang ist jedoch wenig passiert, wie der im Frühjahr 2021 präsentierte erste Statusbericht der obersten Naturschutzbehörde zum Biotopverbund zeigt. Dieser lässt aus Sicht des LBV viele Fragen offen. So wurden keine konkreten Ziele oder Kriterien formuliert und keine genaue Flächenkulisse festgelegt. Es ist zu befürchten, dass der Biotopverbund durch Einbeziehung verschiedenster Flächenkategorien wie Straßenränder, Waldränder und Gewässerrandstreifen herbeigerechnet wird, ohne dass sich in der Landschaft etwas ändert. Ein weiteres Ziel des Volksbegehrens und ein Beitrag gegen den Verlust der Artenvielfalt ist die Nutzung von 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Bayern für den Ökolandbau bis 2030. Ökologisch wirtschaftende Betriebe weisen häufig eine höhere Artenvielfalt auf ihren Flächen auf als konventionelle Betriebe, wenngleich auch hier oftmals noch Verbesserungspotenzial beim Strukturreichtum auf den Flächen besteht. Momentan liegt der Anteil des Ökolandbaus bei etwa zwölf Prozent. Dessen Ausbau muss dringend beschleunigt werden, will man in acht Jahren das gesteckte 15-Prozent-Ziel erreichen. Dazu muss es verbesserte Anreize für Landwirtinnen und Landwirte für den Umstieg auf Ökolandbau geben, außerdem müssen beispielsweise staatliche Einrichtungen (z.B. Kantinen) in Zukunft hauptsächlich Bioprodukte kaufen. Mit bewussten Kaufentscheidungen kann auch jeder und jede Einzelne einen Beitrag für mehr Artenvielfalt leisten. Der Aufbaueines funktionalenBiotopverbunds wäre ein echter Erfolg für den Erhalt der Artenvielfalt in Bayern und ist daher für den Trägerkreis des Volksbegehrens, zu dem auch der LBV gehört, das wichtigste Instrument aus dem Volksbegehren. Die fachlichen Vorgaben zur Schaffung eines Biotopverbunds sind seit Jahrzehnten bekannt, doch es hapert nach wie vor an der praktischen Umsetzung. Bayern braucht dazu klar definierte Qualitätskriterien, welche Flächen in die Bilanz für den Biotopverbund eingerechnet werden dürfen. Auch muss die Schaffung eines Biotopverbunds ressortübergreifend in allen relevanten politischen Bereichen mitgedacht und begleitet werden. Wie beim Streuobstpakt sind alle relevanten Akteure einzubeziehen, um gemeinsam eine praktische Lösung zu finden und umzusetzen. FRANZISKA WENGER M.Sc. Landschaftsökologie Referentin Volksbegehren Artenvielfalt Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein E-Mail: franziska.wenger@lbv.de

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