VOGELSCHUTZ 4-18

36 VOGELSCHUTZ 4|18 n Brüssel treffen sich seit Monaten wöchentlich die Ver- treter der Landwirtschaftsministerien von 27 EU-Staa- ten und des Europaparlaments und ringen darum, wie künftig die jährlich 50 bis 60 Milliarden Euro an staatlichen Agrarhilfen verteilt werden – pro Jahr wohlgemerkt, im Zeit- raum 2021–2027. Wie viel genau im Topf der Gemeinsa- men Agrarpolitik (GAP) sein wird, entscheiden letztlich die Regierungschefs in ihren Haushaltsverhandlungen. Deren Hauptaugenmerk liegt auf dem Netto- betrag, den sie aus Brüssel bekommen bzw. in das EU-Budget einzahlen. Unter dem starken Einfluss des Europäischen Bauernverbands (COPA) auf Minister und Abgeordnete wurden die katastro- phalen Effekte der GAP für Umwelt und Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten völlig ver- nachlässigt. Da über 75 Prozent der GAP-Milliarden pauschal pro Hektar ausgeschüttet werden, lohnt es sich für Landwirte kaum, umweltschonend zu wirtschaften. Im Gegenteil: Je mehr und je kostengünstiger produziert wird, desto höher das Einkommen. Dazu tragen auch Handel und Verbraucher bei, die nach wie vor eher „Masse statt Klasse“ honorieren. Und schließlich sind die Regeln für Pestizide oder für die Ausbringung von Gülle zu lasch. Die sogenannte gute fach- liche Praxis ist nicht klar definiert und wird nicht durchge- setzt. So ist es wenig verwunderlich, dass Landwirte versu- chen, immer intensiver zu wirtschaften. Aus Ställen, Wiesen und Äckern wird das Maximum herausgepresst. Hecken und Wildkräuter mindern den Gewinn, artenreich belebte Flächen sind schlecht für die Bilanz. Da die GAP rund die Hälfte des Einkommens der euro- päischen Landwirte ausmacht und durch ihre Förderbedin- gung letztlich die Art der Bewirtschaftung auf ganzer Fläche bestimmt, hängt das Schicksal unserer geschundenen länd- lichen Natur stark von ihr ab. Die Insek- ten- und Feldvogelbestände sind derart im Rückgang, dass die nächste Reform in sieben Jahren für viele Arten wohl zu spät kommen wird. Hinzu kommen weitere Folgen der Intensi- vierung: Eine immer teurere Aufbereitung des vielerorts güllebelasteten Grundwassers, zunehmende Antibiotika- resistenzen und nicht zu vergessen eine erschreckende Ar- tenverarmung unserer ländlichen Heimat. Der Dürresom- mer 2018 hat außerdem gezeigt: Unsere Landwirtschaft ist nicht fit für die beginnende Klimaveränderung. Trockenheit, Hochwasser und Hagel werden immer häufiger. Höchste Zeit also für eine Kehrtwende hin zu einer vielfältigen, widerstandsfähigen und ökonomisch wie öko- MILLIARDENPOKER IN BRÜSSEL Seit Juni wird über die künftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU verhandelt. Noch besteht Hoffnung, dass nun endlich die Weichen in Richtung einer vielfältigen, widerstands- fähigen und ökonomisch wie ökologisch gesunden Landwirtschaft gestellt werden. I Die nächste GAP-Reform dürfte für viele Arten zu spät kommen Der steinige Weg zu einer neuen Agrarpolitik Der Feldhamster würde von einer neuen Agrar- politik profitieren. N A T U R S C HU T Z P O L I T I K LBV-Veranstaltung zur GAP in Brüssel. Eintreten für eine andere Agrarpolitik gemeinsam mit dem Bayerischen Jagdverband und dem Landesfischereiverband. V.l.n.r.: Prof. Dr. Albert Gött- le (Präsident LFV), Dr. Norbert Schäffer (LBV), Karl-Heinz Florenz (MdEP, EVP), Barbara Schretter (Leitung der Bayer. Vertretung in Brüssel) Martin Häusling (MdEP, Die Grünen), Prof. Dr. Jürgen Vocke (Präsident BJV), Ludwig Wilnegger (Generalsekretär Europäischer Jagdverband FACE).

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