LBV magazin 2-25

VOGEL- UND NATURSCHUTZ IN BAYERN magazin Nistkastenneuland Unserer Gartenvögel entschlüsselt Gartenparadiese Sieben ausgezeichnete Einblicke Schotterwüste Freiwilligkeit vs. Ordnungsrecht 2|2025 Wer wagt, gewinnt Wildnis im Garten

2 LBV MAGAZIN 2|25 09174-4775-7023 naturshop@lbv.de lbv-shop.de Vogel- und Insektentränke Balkonfutter Energiefutter Sommermischung lbv-shop.de BRING LEBEN IN DEINEN GARTEN! WIR FREUEN UNS AUF IHREN BESUCH! Wir laden Sie 137 Tage zu einzigartigen Naturerlebnissen ein. Eine Fülle von Informationen und Mitmach-Aktionen erwarten Sie. Die „Sagenhafte Bienenwelt“ lockt zum Eintauchen mit allen Sinnen. Erfahren Sie wie mit Mut und Fantasie wilde Ecken im Garten entstehen und dadurch die Artenvielfalt profitiert. Zahlreiche Aussteller bieten Ihnen vielfältige Erlebnisprogramme an. Besuchen Sie uns – es gibt viel zu entdecken. FURTH2025.DE Jetzt auf unserer Webseite unter www.birdingtours.de oder per Telefon (07634 5049845) kostenlos anfordern. Entdecken Sie hunderte Vogelbeobachtungsreisen in Deutschland, Europa und weltweit. NEU: Der birdingtours Reisekatalog 2025 mit dem Spezialisten Reisen in die Welt der Vögel

LBV MAGAZIN 2|25 3 an der Gartengestaltung scheiden sich die Geister. Wenn strenge Ordnungsliebhabende auf tolerante Naturfans treffen, ist der Konflikt zwischen Nachbarn meist vorprogrammiert. Ich erinnere mich gut an unsere langjährige Nachbarin, die im Herbst mit bemerkenswerter Konsequenz jedes einzelne herübergewehte Blatt, das wir extra zum Schutz unserer Beete ausgelegt hatten, aufhob – nur um es über den Reihenhauszaun wieder auf unser Grundstück zu werfen. Auch aus derartigen Gründen lassen sich immer mehr Menschen in Bayern mit unserer Plakette „Vogelfreundlicher Garten“ auszeichnen. So können sie allen neugierigen Augen auf den ersten Blick zeigen: Diese vermeintliche Unordnung ist genau so gewollt und gut für Vögel und Insekten. Denn schon mit ein wenig mehr Struktur im Garten erreichen Sie maßgebliche Verbesserungen für die Natur. Lassen Sie sich deshalb von unseren sieben vorgestellten Paradiesen (ab S. 12) einfach inspirieren und wagen Sie erste kleine Schritte bei sich zuhause. Verwandeln Sie nach und nach Ihren Garten Abschnitt für Abschnitt in einen naturfreundlichen Lebensraum für unsere Vögel, Insekten und Tiere. Die Natur wird es Ihnen danken. Liebe Leserinnen und Leser, Stück für Stück zum Gartenglück Viel Spaß beim Lesen! Ihr Markus Erlwein Chefredakteur Vögel kennen keine Grenzen: Deshalb arbeiten wir für unsere Aktion „Stunde der Wintervögel“ mit unseren internationalen Partnern aus Österreich, Tschechien, der Slowakei, Serbien und der Schweiz zusammen. Einige von ihnen durften wir im März zu einem inspirierenden Austausch in Hilpoltstein begrüßen. Wintervögel international EDITORIAL FOTO: CORA BAHMANN Tagesaktuelle Nachrichten finden Sie unter lbv.de/newsletter lbv_bayern lbv.de VOGEL- UND NATURSCHUTZ IN BAYERN LBV magazin

4 LBV MAGAZIN 2|25 6 Im Fokus Garten-Umgestaltung 8 Leserbriefe 9 Kurzmeldungen 10 Standpunkt Dr. Norbert Schäffer 12 Sieben private Paradiese Ausgezeichnete „Vogelfreundliche Gärten“ in Bayern 16 Das Vogeljahr im Garten Praktische Tipps für jede Jahreszeit 18 Unterschätzte Gartengäste Unbeliebte Arten sind besser als ihr Image 20 Natur auf dem Balkon Tipps für mehr Artenvielfalt auch ohne Garten 22 Reportage „Übers Nest geschaut“ Der Nistkasten-Detektiv 26 Spendenaktion Im Einsatz für die Feldvögel 12 18 36 Auch Schnecken und Co. erfüllen wichtige Aufgaben im Garten. INHALT Der LBV-Umweltgarten im Landkreis Traunstein ist immer einen Besuch wert. Wir werfen einen Blick in sieben von uns ausgezeichnete Gärten. INHALT Dieses Druckerzeugnis ist mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. www.blauer-engel.de/uz195 · ressourcenschonend und · umweltfreundlich hergestellt · emissionsarm gedruckt XW1 überwiegend aus Altpapier Sie lesen klimaneutral und umweltfreundlich Titelbild: Nashornkäfer von Burkhard Wysekal FOTOS: GÄRTEN SIEHE SEITE 12–15, THOMAS STAAB, RALPH STURM, MANUELA SCHUSTER, NAJU-TEAM, WILDLIFE ACOUSTICS Mehr Informationen zur Berechnungsmethodik, zur Kompensation und dem gewählten GoldstandardKlimaschutzprojekt finden Sie unter klima-druck.de/ID. klima-druck.de ID-Nr. Druckprodukt CO₂ kompensiert 25201573 Zu Besuch bei Klaus Stampfer, der seine Vögel mit neuester Technik beobachtet. 22

LBV MAGAZIN 2|25 5 44 Verborgene Schätze der Natur finden und genießen Einhefter • Spenden-Überweisungsträger • Meldebogen Stunde der Gartenvögel 28 LBV AKTIV 34 NAJU Neues von der Naturschutzjugend 36 LBV-Schutzgebiet Der LBV-Umweltgarten Wiesmühl 38 Politik Vom schwierigen Umgang mit Schottergärten 40 Ratgeber Bioakustik im Naturschutz 42 Aus dem LBV • Natur trifft Profi-Fußball • Arten sichtbar machen 43 Erbschaft Steuerfrei Gutes tun 44 Umweltbildung Wildkräuter entdecken und nutzen 46 Stiftung Werden Sie Teil einer Erfolgsgeschichte! 47 Test Song Meter Micro 2 von Wildlife Acoustics 48 Medien Empfehlungen 50 Impressum und Kontakte VOGELFREUDE GANZ NAH! LBV-Balkonhalterung lbv-shop.de /balkon Nur bei uns erhältlich! - ANZEIGE - 47 Horchbox für Tierstimmen im Test

GARTEN-UMGESTALTUNG | FOTO: TOBIAS BODE Innerhalb von vier Jahren haben Sabine und Tobias Bode ihren 250 Quadratmeter großen Kleingarten naturnah umgestaltet. Mit Gemüsebeeten, Beerensträuchern, vielen heimischen Wildpflanzen und Totholzstrukturen. In den Fugen der Wege dürfen sich Thymian und Mauerpfeffer ausbreiten, in offenen Bodenflächen nisten Wildbienen, und Blaumeise, Kohlmeise, Zaunkönig oder sogar der Gartenrotschwanz sind regelmäßig zu Gast. Die Parzelle liegt in der Kleingartenanlage NW 18 in München-Moosach. ERST ÖDNIS, DANN ARTENREICHTUM 6 LBV MAGAZIN 2|25

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8 LBV MAGAZIN 2|25 LESERBRIEFE Ihre Meinung ist uns wichtig! Schreiben Sie uns unter leserbriefe@lbv.de oder per Post an Redaktion LBV magazin, Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein. Die Redaktion behält sich aus Platzgründen eine Auswahl und das Kürzen von Leserzuschriften vor. Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. i Post Dank für X-Ausstieg Ich habe soeben angefangen, mein LBV Magazin zu lesen und sehe dort, dass Sie sich von X zurückziehen. Vielen lieben Dank dafür!!!!! Wollte ich nur mal gesagt haben! Weiterhin viel Erfolg beim friedlichen Einsatz für unsere schöne Natur. Zrinka Covo, 81737 München Danke, dass es euch gibt Ich bin so dankbar, dass es Euren herzlichen Verein gibt, über den ich unserer geliebten Erde und Natur helfen darf und weiß, dass bei Euch vieles in Ordnung ist! Danke, danke, danke. Und danke auch für all die wunderbaren Bilder und Beiträge in Eurem Magazin. Ich habe diese viele Liebe für die Natur schon auf diese Erde mitgebracht. Heidrun Langer, 97837 Erlenbach Zur Rezension „Wälder in Bewegung“ (01/25) Uns haben zwei Leserbriefe von Dr. Ludwig Albrecht und Olaf Schmid erreicht, die zu umfangreich zum Abdrucken wären. Stellvertretend die Anmerkung der Redaktion: Die Leserbriefschreiber beharren auf der Notwendigkeit der „unterstützten Wanderung neuer Baumarten“, und darauf, „dass unsere heutigen Baumarten und Waldgesellschaften unter dem Klimawandel […] teilweise durchaus überfordert sind“. Dabei liegen diese Positionen gar nicht so weit von der des Autors entfernt: Es wäre naturschutzfachlich wohl kein Problem, „das heimische Baumartenspektrum in einstelligen Prozentanteilen [zu] ergänzen“, vor allem, wenn es sich um europäische Arten handelt. Gleichwohl ist das Narrativ der Überforderung unserer heimischen Baumarten gefährlich, weil damit auch die Scheinbegründung für viel weitergehende und naturschutzfachlich äußerst kritische Bestrebungen mit außereuropäischen Baumarten (z. B. Douglasie und Roteiche) geliefert wird. In jedem Fall müssen die forstlichen Maßnahmen mit neuen Baumarten einem strengen Monitoring unterliegen, um negative Entwicklung schnell zu erkennen und gegensteuern zu können. Der LBV unterstützt den nach wie vor geltenden Grundsatz der Bayerischen Staatsforsten: „Die tragende Basis eines klimagerechten Waldbaus bilden auch weiterhin die heimischen Hauptbaumarten, zu denen ein hoher Wissensstand in Wissenschaft und Praxis besteht.“ Der LBV weist darüber hinaus auf die Bedeutung nutzungsfreier Wälder hin: Die Erkenntnisse aus deren Entwicklung sind essenziell für die Beurteilung forstlicher Maßnahmen in Zeiten des Klimawandels. Dr. Christian Stierstorfer Zum Leserbrief „Spannendes Naturphänomen ...“ (01/25) Einzigartiges Werk der Natur Die Entstehung von Haareis ist nach aktueller Forschung noch nicht gänzlich geklärt. Eine reine physikalische Erklärung, wie sie Herr Woitzik in seinem tollen Leserbrief vornimmt, reicht allerdings nicht aus. Vielmehr legt die Forschung von Gerhart Wagner nahe, dass winteraktive Pilze im Totholz an der Entstehung beteiligt sind. Lena Kersten, 87435 Kempten Ich habe vor zwei Jahren ein Bild mit der Zugspitze und Kranichen gemalt und hätte nie gedacht, dass das gar nicht soooo unwahrscheinlich ist. Alexandra Windolph, 81476 München FOTOS: OSWALD ZINTL, ALEXANDRA WINDOLPH, LBV UNTERFRANKEN, DR. CHRISTOPH MONING, MONIKA KERNER, CAROLA BRIA Taubenschwänzchen im Garten Das Foto ist aus meinem Garten. Ich beobachte das Taubenschwänzchen bereits seit mehreren Jahren bei uns. Oswald Zintl, 95679 Waldershof Kraniche über Bayern

Vogelfreundlich gärtnern: Tipps aus dem Hortus-Garten Der Frühling ist voll im Gange – und mit ihm öffnen sich die Tore zu zwei besonderen Paradiesen für Mensch und Natur: HORTUS FELIX und HORTUS INSECTORUM. Der bekannte Gartenvisionär, Buchautor und Gründer des Hortus-Netzwerks, Markus Gastl, lädt zu exklusiven Führungen durch seine artenreichen Oasen in Mittelfranken (Landkreis Ansbach) ein. Mit im Gepäck: jede Menge Tipps für naturnahes Gärtnern, spannende Einblicke in das Drei-ZonenGartenkonzept – und Inspiration für alle, die ihre grüne Oase vogelfreundlich gestalten wollen. Kein Wunder, dass beide Gärten die Plakette „Vogelfreundlicher Garten“ erhalten haben. Führungstermine HORTUS INSECTORUM: 18. und 25. Mai, jeweils 10.00 Uhr HORTUS FELIX: an denselben Tagen, jeweils 15.00 Uhr Weitere Infos und Anmeldung unter: hortus-insectorum.de Gezwitscher Kräfte bündeln für den Ortolan Anfang Februar organisierte der LBV ein Treffen mit 18 Ortolanexperten und -expertinnen aus Bayern, Brandenburg und Niedersachsen in Würzburg. Im Fokus stand der Austausch über geeignete Schutzmaßnahmen für den kleinen Bodenbrüter – auch im Hinblick auf die unterschiedlichen klimatischen und landschaftlichen Gegebenheiten in den einzelnen Bundesländern – sowie der Umgang mit Fressfeinden des Ortolans und der Ausbau erneuerbarer Energien. Während der Ortolan in Bayern akut vom Aussterben bedroht ist, gibt es in Norddeutschland noch deutlich größere Bestände, die allerdings ebenfalls abnehmen. Um von den Erfahrungen der anderen Bundesländer zu profitieren und die gemeinsamen Bemühungen zu intensivieren, wurde die „Arbeitsgruppe Ortolanschutz Deutschland“ gegründet. Mehr Infos unter: lbv.de/ortolan-news Wilde Bausteine auf der Landesgartenschau Vom 22. Mai bis 5. Oktober lädt die LBV-Kreisgruppe Cham auf der Landesgartenschau 2025 in Furth im Wald zu einem inspirierenden Naturerlebnis ein. Unter dem Motto „Wilde Bausteine“ zeigt der LBV, wie naturnahes Gärtnern funktioniert. Ob Wilde Ecken, Nisthilfen für Vögel, Fledermausquartiere oder Insektenhotels – die Besuchenden erhalten praxisnahe Tipps. Auch schwierige Themen wie Vogelschlag an Glas, die Gefahren durch Hauskatzen oder der Einsatz von Torf und Schneckenkorn werden nicht ausgespart. Natürlich hat auch Naturbeobachtung ihren Platz – etwa beim Blick auf die Futterstelle. Zusätzlich lädt der LBV zu wöchentlichen Workshops für Groß und Klein ein. Dank der Zusammenarbeit mit der tschechischen Umweltorganisation Ametyst sind alle Infos zweisprachig auf Deutsch und Tschechisch verfügbar. KURZMELDUNGEN Lauschen für die Wissenschaft Das Morgenkonzert der erwachenden Vogelwelt ist ein magischer Moment – und der ideale Zeitraum, um Aufnahmen für das Citizen-Science- und Kunstprojekt Dawn Chorus zu machen. Vom 1. bis 31. Mai läuft auch dieses Jahr wieder der Hauptsammelzeitraum. Mitmachen ist dank der Dawn Chorus-App ganz leicht und erfordert kein Vorwissen. Je mehr Menschen sich regelmäßig an dem Projekt beteiligen, desto aussagekräftiger wird der Datenschatz, auf den die Forschung zugreifen kann. Alle Informationen zu Teilnahme, aktuellen Events und weiteren Aktionen im Zusammenhang mit Dawn Chorus finden sich unter dawnchorus.org. Machen Sie mit! LBV MAGAZIN 2|25 9

10 LBV MAGAZIN 2|25 THEMA DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER Ich werde oft gefragt, welches mein Lieblingsschutzgebiet ist. Keine einfache Frage, aber es ist wohl das Natura 2000- und Naturschutzgebiet Murnauer Moos. Gelegen am Alpenrand, traumhafte Landschaft, vollgepackt mit spannenden Tier- und Pflanzenarten, auf riesiger Ausdehnung, in der Vergangenheit immer wieder durch Eingriffe bedroht, aber von Naturschützerinnen und Naturschützern mit großer Leidenschaft verteidigt – zweifelsohne einer der schönsten Flecken des Freistaats. Für mich am schönsten ist das Murnauer Moos bei einer Wanderung im Frühjahr unmittelbar nach Sonnenuntergang. Mit etwas Glück lassen sich dann der peitschenknallartige Ruf von Tüpfelrallen oder die Geräusche von Bekassinen bei der Flugbalz hören. Unübertroffen aber sind die knarrenden, monotonen Rufreihen (technisch korrekt eigentlich ein Gesang!) von Wachtelkönigmännchen. Gerade diese Vogelart hat es mir besonders angetan, war sie doch in vielerlei Hinsicht so wichtig in meinem Leben – wie auch beschrieben in der Dokumentation Vogelperspektiven. Gärten der Wildnis – statt Gärten des Grauens Der schönste und für mich persönlich wichtigste Ort überhaupt aber ist unser eigener Garten. Wir haben das große Privileg und Glück, einen Garten an unserem Haus zu besitzen. Und diesen haben wir in den vergangenen Jahren nur im Hinblick auf Biologische Vielfalt und Wildnis optimiert. Wenn wir zuhause sind, was ohnehin relativ selten vorkommt, und auf der Terrasse sitzen und den balzenden Staren auf den acht (!) besetzten Starenkästen zusehen können, ist das für mich Glück pur. Wie kleine Angeber versuchen Starenmännchen, erkennbar an der hellblauen Schnabelwurzel, mit viel zu großen Halmen als Nistmaterial Weibchen, erkennbar an der rosa Schnabelwurzel, zu beeindrucken. Wenn das nichts hilft, lassen Starenmännchen, um die Aufmerksamkeit von Weibchen zu erhalten, gesammelte Blütenblätter vom Dach der Kästen nach unten fallen. Ein wunderbares Schauspiel! Begeistert bin ich jedes Jahr im Juli, wenn ich von meiner Frau eine Textnachricht erhalte mit den Worten: „Ich habe eine junge Eidechse im Garten gesehen!“ Zugegeben, hier braucht es viele dornenreiche Sträucher, um Katzen fernzuhalten. Was ich gerne hätte, was aber bei uns noch nicht vorkommt, sind Nashornkäfer, wie auf der Titelseite dieser Ausgabe zu sehen. Immer wieder höre ich von Gartenbesitzerinnen und -besitzern, dass sie Nashornkäferlarven im Kompost gefunden haben. Was bei uns noch nicht ist, kann ja noch werden. Auszeichnung „Vogelfreundlicher Garten“ Nicht alle Menschen finden unseren Garten gepflegt oder ästhetisch. Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten. Dass unser Garten aber voller Leben ist, steht unbestritten fest. Bestätigt wurde dies auch durch die Auszeichnung „Vogelfreundlicher Garten“, die der LBV und das Umweltministerium Bayern nach strengen Kriterien verleihen. Wir sind stolz auf unseren Garten und freuen uns tagtäglich über unser ganz persönliches kleines Stück Wildnis vor unserer Haustüre. EU-Renaturierungsverordnung Die im vergangenen Jahr verabschiedete EU-Renaturierungsverordnung ist ein Meilenstein und großer Erfolg für den europäischen Naturschutz. Sie hat jedoch auch große Diskussionen und sogar Befürchtungen zu Kosten und Eingriffen ins Eigentum ausgelöst. Wir haben uns diese Verordnung genauer angesehen: Sie schafft Verbindlichkeit für viele bereits bestehende Verpflichtungen aus Strategien und Abkommen und legt Zeithorizonte für die Erreichung von Zielen fest. Vieles, was in Bayern ohnehin schon Ziel ist, zahlt dabei unmittelbar in die EU-Renaturierungsverordnung ein: So will Bayern bis zum Jahr 2040 bayernweit 55.000 Hektar Moore wiedervernässen. Auch ist im Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern festgelegt, STANDPUNKT Wildnisgarten Lebensglück im Wir erwarten ein klares Bekenntnis zum Schutz betroffener Arten

LBV MAGAZIN 2|25 11 den Bayerischen Streuobstpakt umzusetzen und den Vertragsnaturschutz in Bayern um 40.000 Hektar auszudehnen. Im erfolgreichen Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ findet sich das Ziel, bis zum Jahr 2030 15 Prozent des Offenlandes als Biotopverbundflächen auszuweisen. Übergeordnetes Ziel des Volksbegehrens, das nun auch im Renaturierungsgesetz zu finden ist, ist es dabei, den Rückgang von Bestäubern umzukehren. Bayern ist also bei der Umsetzung dieser Verordnung in einigen Bereichen bereits auf einem guten Weg. In anderen muss noch erheblich mehr passieren. So müssen insbesondere für FFH-relevante Lebensraumtypen bis 2050 auf 90 Prozent der Fläche Maßnahmen ergriffen werden, um diese in einen günstigen Erhaltungszustand zu bringen. Das muss zügig in Angriff genommen werden. Verbandsklagerecht Heftig diskutiert wird derzeit auch über das Verbandsklagerecht. Natur- und Umweltverbände werden oftmals als Verhinderer beispielsweise bei Infrastrukturmaßnahmen beschrieben. Um es gleich zu sagen: Der LBV klagt nur in ganz wenigen, vom Landesvorstand bewusst ausgewählten Fällen. Sie erinnern sich vielleicht an die geplante Skischaukel am Riedberger Horn, in der strengen Schutzzone C des Alpenplans. Tatsächlich konnten wir hier einen massiven Eingriff in die Natur und eine Schädigung des Alpenplans abwenden. Ich persönlich halte nicht viel von Klagen, die aussichtlos sind und bestenfalls zu Verzögerungen führen. Insgesamt aber werden durch Klagen keine Gesetze gemacht, sondern lediglich überprüft. Auch der Freistaat Bayern klagt immer wieder, beispielsweise gegen den als ungerecht empfundenen Länderfinanzausgleich oder das Bundeswahlrecht. Ein ganz normaler Vorgang. Umwelt- und Naturschutzverbänden will man dieses Recht plötzlich beschneiden. Das darf nicht sein. Die Rolle einer starken Zivilgesellschaft ist heute wahrscheinlich so wichtig wie nie zuvor. Dr. Norbert Schäffer Wenn Arten Probleme machen … Weitere Streitpunkte liefert derzeit der Umgang mit Arten, die auch mal Probleme machen können. Bei Genehmigungen zum Abschuss von beispielsweise Fischotter und Saatkrähe reagieren manche Verbände mit Klagen (s.o.). Der LBV hält in diesen Fällen rechtliche Schritte nicht für den richtigen Weg. Vielmehr sind wir bereit, beispielsweise im neu gegründeten Arbeitskreis Fischotter des Obersten Naturschutzbeirats, konstruktiv bei der Suche nach Lösungen mitzuarbeiten. Wir sind gesprächs- und kompromissbereit, immer auf Grundlage fachlich fundierter Erkenntnisse. In letzter Konsequenz kann dies zu einer Akzeptanz von sogenannten letalen Entnahmen, also der Tötung von Tieren, führen. Gleichzeitig erwarten wir aber auch von anderen ein klares Bekenntnis zum Schutz der betroffenen Arten, wo immer dies möglich ist. Energie und Lebensglück aus dem Wildnisgarten Im Moment ist im Natur- und Artenschutz in Bayern und Deutschland einiges los. An vielen Stellen weht uns der Wind heftig ins Gesicht. Umso wichtiger ist es, die eigenen Batterien immer wieder aufzuladen. Ich tue dies in unserem Wildnisgarten – und vielleicht finden wir demnächst ja tatsächlich einen Nashornkäfer. STARE I FOTO: ROSL RÖSSNER, INGO RITSCHER Folgen Sie mir auf LinkedIn unter Dr. Norbert Schäffer

THEMA FOTOS: MARKUS GASTL (2) Ausgezeichnete „Vogelfreundliche Gärten“ in Bayern Sieben private Paradiese Seit dem Start der bayernweiten Aktion „Vogelfreundlicher Garten“ im Jahr 2022 hat der LBV über 5.000 vogelfreundliche und strukturreich gestaltete Gärten ausgezeichnet. Sieben Gartenbesitzende erzählen, was ihnen ihr Paradies bedeutet. Steinpyramiden gibt es auf allen Kontinenten. Sie sehen gut aus und sind auch ein Highlight meines „Gartens der Insekten“, dem Hortus Insectorum. Dieser ist nach dem Konzept des „DreiZonen-Gartens“ aufgebaut. Insgesamt habe ich dort über 50 Lesesteinhaufen in ansprechender Ausführung angelegt. Den tierischen Besuchern dienen sie in vielerlei Hinsicht: als Singplatz für Vögel, Wärmeplatz für Insekten und Versteck für unzählige Tiere. Baut man zusätzlich mit den Steinen in die Tiefe, taugen die Steinpyramiden auch als Überwinterungsplatz für Eidechsen und Amphibien. 12 LBV MAGAZIN 2|25 Markus Gastl Lkr. Ansbach „Belebte Steinwelten“ Gemeinsam zeichnen der LBV und das Bayerische Artenschutzzentrum im Landesamt für Umwelt (LfU) bereits das vierte Jahr in Folge private Gärten in ganz Bayern aus, die Vögeln und Insekten einen wertvollen Lebensraum bieten. Die Plakette ist eine Wertschätzung für alle Gartenbesitzerinnen und -besitzer, die Natur und Wildnis einen Raum geben. Sie möchten Ihren Garten auszeichnen lassen? Dann bewerben Sie sich jetzt für eine Bewertung unter: vogelfreundlichergarten.de Jetzt Garten auszeichnen lassen!

FOTOS: CONNY WÜRFEL (2), RALPH STURM, FAM. LIEBHART (2), DR. ANDREAS VON LINDEINER Unsere ganze Familie war sehr überrascht, dass sich die Grauschnäpper den Platz neben der Haustüre ausgesucht hatten, obwohl dort immer ein reges Kommen und Gehen herrscht. Gerade in der Zeit, als sie ihre Jungen fütterten, mussten wir auf unserer Terrasse den Holzbelag erneuern und hätten x-mal an ihnen vorbeigehen müssen, um die in der Garage gelagerten Bretter zu transportieren. Deshalb sind mein Mann und ich jedes Mal einen „Umweg“ gegangen, damit sie beim Füttern auf keinen Fall gestört wurden. Es war eine Freude zuzusehen, wie sie jeden Tag größer wurden. Leider haben wir aber ihren Auszug verpasst, da wir zu dieser Zeit selbst ein paar Tage ausgeflogen waren. Im Jahr 2021 haben wir eine vormals landwirtschaftlich genutzte Wiese mit ca. 500 Quadratmeter Fläche mit Unterstützung eines Fachmanns zu einem Naturgarten umgestaltet. Wir wollten einen Lebensraum für Insekten und Vögel sowie eine bunte Blumenwiese vor unserem Haus schaffen und so auch die Artenvielfalt fördern. Ein Highlight ist unser Wildpflanzenhügel mit Eidechsenburg und zwei Trockenmauern. Vom Frühjahr bis in den Spätherbst blühen immer wieder andere Blumen und Pflanzen. Unser Garten wird von vielen Vögeln und Insekten, Libellen, Wildbienen und Hummeln etc. besucht und bereitet auch uns viel Freude. „Fleißige Nachbarn“ LBV MAGAZIN 2|25 13 Familie Liebhart Lkr. Bad Tölz Conny Würfel Lkr. Dingolfing-Landau „Naturgarten“ Zauneidechse Grauschnäpper

Die vielen Totholzbereiche in unserem Garten haben für uns nur Vorteile: Wir können unseren Holzschnitt unkompliziert wiederverwerten, es sieht mit der richtigen Gestaltung schön aus, sie nützen den verschiedensten Lebewesen und durch die Verwitterung werden dem Boden wieder wertvolle und wichtige Nährstoffe zugeführt. Die ganze Familie erfreut sich daran, wie sich diese Bereiche über die Jahreszeiten verändern und Tieren eine neue Heimat oder einfach nur einen vorübergehenden Unterschlupf bieten. Es ist für mich schön zu sehen, mit welcher Begeisterung meine Kinder die Vögel und Insekten dort bestaunen. THEMA „Lebendiges Totholz“ 14 LBV MAGAZIN 2|25 Julia Miehling Lkr. Neumarkt Im selbstgebauten Insektenhotel aus Paletten herrscht vom Frühjahr bis zum Herbst reger Betrieb. Viele heimische Wildbienenarten und andere Nützlinge finden in den unterschiedlichen Nistquartieren aus Holz, Bienensteinen, Strangfalzziegeln, Bambusstängeln, Schilf- und Strohhalmen Möglichkeiten zur Eiablage oder Überwinterung. An den vielen verschiedenen Nistverschlüssen aus Lehm, Steinchen, Harz und Pflanzenstücken kann man gut erkennen, dass viele unterschiedliche Wildbienenarten, wie z. B. Lehmwespen, Mauerbienen, Löcherbienen, Scherenbienen und Grabwespen Unterschlupf gefunden haben. Der Erhalt und Fortbestand der einheimischen Wildbienen und die Schaffung eines „kleinen Paradieses“ für alle Insekten waren die Hauptgründe für die Errichtung dieses Insektenhotels. Es erfreut jedes Mal mein Herz, beim täglichen Rundgang durch den Garten das Gesumme und Gebrumme am Insektenhotel zu beobachten und das Gefühl zu spüren, alles richtig gemacht zu haben. „Insektenvielfalt“ Rote Mauerbiene Valeska Albrecht Lkr. Bamberg FOTOS: FAM. ALBRECHT (2), MARCUS BOSCH, ULRIKE FERSCH, FAM. MIEHLING

Ein großes Highlight in unserem Garten ist unser Naturschwimmteich. Er ist ein sehr wichtiges Gartenelement und lädt viele Tiere und Vögel zum Verweilen ein. Zu den Besuchern gehören Eisvogel, Graureiher, Bach- und Gebirgsstelzen. Aber auch Amphibien wie Frösche und Molche sind im Sommer Dauergäste. Sogar eine Ringelnatter schwamm einmal ganz ungeniert mit uns im Teich. Die zahlreichen Wasser- und Uferpflanzen locken viele Insekten an und bieten diesen Pollen, Nektar und Unterschlupf. Ein Problem mit Stechmücken haben wir nicht: Unsere Vögel und Fledermäuse leisten hier zu unserer Freude wertvolle Arbeit. Statt die Zufahrt in den Garten mit Pflastersteinen unnötig zu versiegeln, haben wir einen Blumenschotterrasen angelegt. Dieser ist befahrbar, aber neben und zwischen der Fahrspur wachsen trockenheitsverträgliche Pflanzen wie Kartäusernelken, Blauer Lein, Kugelblumen sowie jede Menge Thymian und Dost. Dieser Bereich ist ein echter Magnet für Schmetterlinge und wenn man mit dem Auto den Hang hinunterfährt, verströmen die Wildpflanzen ihren wunderbaren Geruch im ganzen Garten. Der Blumenschotterrasen muss nicht gemäht werden. Es reicht, im späten Frühjahr Laub und vertrocknete Stängel mit einem groben Fächerbesen zusammenzurechen und schon bald blüht es wieder in voller Pracht. „Naturschwimmen“ „Blumen im Schotter“ LBV MAGAZIN 2|25 15 Ringelnatter Kleiner Fuchs Familie Guggumos Lkr. Aichach-Friedberg Sandra Eckerth Lkr. Aschaffenburg FOTOS: SANDRA ECKERTH (3), DANIELA STAUDINGER, FAM. GUGGUMOS (2)

THEMA FOTOS: RALPH STURM, ZDENEK TUNKA, ERICH OBSTER, PETER BRIA, MONIKA GRAF Praktische Tipps für jede Jahreszeit Wer unsere gefiederten Freunde durch das Gartenjahr begleiten und unterstützen möchte, hat dazu viele Möglichkeiten. Wir haben Ihnen nachfolgend Anregungen zusammengestellt. VON ANITA SCHÄFFER Frühling • Nistmaterial bereitstellen • Vogelgesängen lauschen, entspannen – und gleichzeitig Artenkenntnis ausbauen • Ankunft der Schwalben und Mauersegler beobachten • Mitmachen bei der Stunde der Gartenvögel! • Fütterungen grundreinigen, reparieren und evtl. einräumen • Vogeleltern beim Herbeischaffen von Nestlingsnahrung beobachten • Wilde Ecke im Garten zulassen – wild angesamte Pflanzen gedeihen oft besser als hochgezüchtete Beetblumen • Staubbad für Spatzen anlegen. Der feine Sand muss möglichst trocken bleiben! März April Mai Juni Juli August September 16 LBV MAGAZIN 2|25 Vögel freuen sich zu jeder Jahreszeit über Wasserstellen im Garten.

LBV MAGAZIN 2|25 17 FOTOS: PETRA RICHLI - STOCK.ADOBE.COM, PETER BRIA (2), ERICH OBSTER, WOLFGANG BOCK, ANITA SCHÄFFER, GRISTIANE GEIDEL, MAX AUER, RALPH STURM Sommer • Jungvögel beobachten, aber nicht versuchen, ihnen zu „helfen“ • Katzen zur Brutzeit aus dem Garten fernhalten • Wiese abschnittsweise mähen, Altgrasecke stehenlassen, denn hier überwintern später viele Raupen und Puppen von Schmetterlingen • Trockenmauer oder Steinhaufen an sonniger Stelle aufschichten als Unterschlupf für Zauneidechsen und zahlreiche Kleintiere • Wasser zum Trinken und Baden anbieten – auch Insekten brauchen Wasser • Disteln nicht entfernen! Schmetterlinge und Hummeln lieben den Nektar und im Herbst fressen Stieglitze die Samen • Möglichst auf Licht im Garten verzichten! Stattdessen Fledermäuse beobachten und sich vielleicht über Glühwürmchen freuen • Das bunte Treiben im Garten genießen Herbst • Samenstände stehen lassen! Vögel ernähren sich bis ins Frühjahr von ihnen, Insekten überwintern in den Stängeln • Fütterungen aufstocken • Fettfutterkuchen selbst herstellen • Ab November Obstbäume und beerentragende, gemischte Hecken pflanzen • Zwiebeln von Frühblühern als erste Nektarquelle für Insekten stecken • Winterquartiere für Igel einrichten Winter • Eisfreie Vogeltränke/ Vogelbad bereitstellen, denn nur mit gereinigtem Federkleid können Vögel schnell flüchten • Nistkästen reinigen • Nistkästen aufhängen • Mitmachen bei der Stunde der Wintervögel und so zur Datenerhebung beisteuern und die eigene Artenkenntnis schulen • Bei Gehölzschnitt anfallendes Reisig als Reisighaufen, Wigwam, Benjeshecke verbauen. Das lieben Spatzen, Rotkehlchen und Zaunkönig! • Ersten Gesang von Amsel, Buchfink und Hausrotschwanz registrieren • Geschützte Stellen schneefrei halten, hier suchen Vögel im Laub, zwischen Gras oder im Boden nach verfügbarer Nahrung Oktober November Dezember Januar Februar

THEMA FOTO: DIETER HOPF Unbeliebte Arten sind besser als ihr Image Unterschätzte Gartengäste me schwinden. Doch auch sie leisten wichtige ökologische Beiträge. Unsere Gärten bieten ihnen einen geeigneten Ersatzlebensraum, sofern sie strukturreich und naturnah gepflegt sind. Nützlinge versus Schädlinge? Manche Arten nehmen wir als ästhetisch, manche als nützlich, lästig oder sogar als gefährlich wahr, etwa Krankheitsüberträger. Aber gibt es nur „Nützlinge“ und „Schädlinge“ im Garten? Lebewesen so einzuordnen ist eine einseitige, menschlich und ökonomisch zentrierte Perspektive, aus der heraus nur als „gut“ gilt, was dem Menschen nützt. Ungeachtet unserer subjektiven Wahrnehmung hat jedoch jedes Lebewesen eine natürliche Daseinsberechtigung, auch jene mit schlechtem Image. Läuse befallen nicht absichtlich den geliebten Rosenstrauch, Maulwürfe graben nicht gezielt im gepflegten Rasen. Stattdessen sind sie eben da, wo sie einen geeigneten Lebensraum finden oder ein Teil ihrer Ansprüche an beispielsweise Nahrung oder Schutz erfüllt sind. Raupen von prächtig anzuschauenden Schmetterlingen fressen auch mal an geliebten Pflanzen. Schnecken sind wichtige Destruenten, da sie Kot, Aas und gelegentlich ihre eigenen toten Artgenossen vertilgen. Ihre Ausscheidungen tragen zur Bildung fruchtbaren Bodens Sie graben, sie stechen, sie fressen an geliebten Pflanzen: Es gibt zahlreiche Lebewesen, die wir nicht gerne in unserem Garten erblicken. Doch schauen wir genauer hin, erfüllen Blattläuse, Schnecken, Maulwürfe und Co. wichtige Aufgaben im Ökosystem, die auch uns zugutekommen. Wenn der Rasen saftig grün, die Rosen rot strahlend und die Salatköpfe knackig frisch im Gemüsebeet anmuten, scheint im Garten alles in Ordnung. Doch stört der Maulwurfshügel das perfekte Grün, häufen sich Blattläuse an den Rosenranken und machen Schnecken den zarten Salaten den Garaus, kann sich die Freude über das Gartentreiben schon mal trüben. Dabei sind nicht nur die Lebewesen, die wir gerne im Garten beobachten – Schmetterlinge, Vögel und Wildbienen – vom Artenschwund betroffen. Denn die eher unbeliebten Arten sind zunehmend bedroht, weil ihre natürlichen Lebensräu18 LBV MAGAZIN 2|25

FOTOS: JOSEPHINE JEDICKE/ LFU, DR. EBERHARD PFEUFFER bei. Sie erfüllen damit neben vielen weiteren Arten sogenannte unterstützende Ökosystemdienstleistungen. Ein gehäuftes Vorkommen an „Schädlingen“ deutet zudem meist auf ein Ungleichgewicht im ökologischen System hin: Eine Pflanze ist weniger resistent gegen Krankheiten oder Insektenbefall, wenn sie nicht am geeigneten Standort wächst. „Schädlinge“ nehmen dort überhand, wo sich keine ihrer natürlichen Fressfeinde finden. Greifen Sie daher nicht pauschal zu synthetischen Pestiziden gegen vermeintliche Schädlinge! Sie schädigen dadurch auch „Nützlinge“ sowie andere Tiere, die sich von mit Pestiziden belasteten Arten ernähren. Bei Regenfällen gelangen Pestizide außerdem in den Boden, ins Grundwasser und in Gewässer oder der Wind verteilt sie in die Luft. Gelassenheit gegen ungern gesehene Gartengäste Meistens hilft schon etwas mehr Gelassenheit und ein kleiner Perspektivenwechsel. Maulwürfe beispielsweise sind natürliche Feinde der Wühlmäuse und fressen deren Nachwuchs. Daneben ernähren sie sich von Engerlingen, Schnecken und Schnakenlarven. Ihre Gräben lockern und belüften die Böden. Sie befördern mit ihren Hügeln fruchtbare Erde an die Oberfläche, die wir für Gemüsebeete und Pflanzenkübel verwenden können. Die Kleinsäuger sind zudem streng nach Bundesnaturschutzgesetz geschützt und dürfen weder gestört noch getötet werden. Blattläuse sind wichtige Nahrung für Vögel wie Sperling, Zaunkönig, Kohl- und Blaumeise und deren Nachwuchs im Frühjahr. Ebenso ernähren sich Marienkäfer- und Florfliegenlarven, Wanzen oder auch parasitierende Schlupfwespenlarven von ihnen. Diese wiederum sind wichtig für andere insektenfressende Tiere. Spinnen sorgen für ungestörte Abende auf der Terrasse, da sie sich von Fliegen, Motten, Mücken und zum Teil sogar von Wespen ernähren. Die Achtbeiner sind, wie ihre Beute, wiederum Futter für Igel, Eidechsen, Fledermäuse und Vögel. So stellt sich das natürliche Gleichgewicht wie von selbst wieder ein. Indem wir den für uns lästigen Arten mehr Raum im Garten geben, sie nicht aufwendig bekämpfen, sondern mit ihnen leben, fördern wir automatisch die Vielfalt an weiteren Lebewesen. Aus diesem Blickwinkel erhalten die früher vielleicht als lästig gesehenen Lebewesen auch vor dem Hintergrund des Artenschwunds ein ganz neues Image. Maulwürfe gehören (noch) zu den eher unbeliebten Gartengästen. Menschliche Wahrnehmung von Insekten LBV MAGAZIN 2|25 19 Marienkäfer und deren Larven fressen bekanntlich Blattläuse in rauen Mengen. Auch für Florfliegen, Schlupfwespen und Vögel sind Blattläuse eine wichtige Nahrungsgrundlage. MICHAELA SPINDLER LfU – Bayerisches Artenschutzzentrum Projekt gArtenvielfalt E-Mail: artenschutzzentrum@lfu.bayern.de

THEMA Natur auf dem Balkon Eine eigene Naturoase mit bunter Blütenpracht und summender Insektenvielfalt zu gestalten, ist nicht nur im Garten, sondern auch auf dem Balkon möglich. Damit kann man sich selbst etwas Gutes tun und den Wildtieren helfen. Gerade in der Stadt gibt es für sie wenig Lebensraum und Nahrung. Tipps für mehr Artenvielfalt auch ohne Garten Kleiner Fuchs 20 LBV MAGAZIN 2|25

LBV MAGAZIN 2|25 21 FOTOS: DR. REINHARD WITT, PETER BRIA (3) Bei der Auswahl der Balkonpflanzen sollte man solche bevorzugen, die reichlich Pollen und Nektar als Futter für Insekten bieten. Dazu gibt es ein paar einfache Tipps: Heimische Pflanzen sind exotischen vorzuziehen, da sich die hiesigen Bestäuber im Laufe der Evolution besser an diese angepasst haben. Des Weiteren haben Wildpflanzen meist einen höheren ökologischen Wert als Zierformen. Letztere haben beispielsweise häufig gefüllte Blüten, da deren Staub- und manchmal auch Fruchtblätter in reine Schaublüten umgewandelt wurden, und bieten kein Futter. Wildpflanzen wie der Gewöhnliche Natternkopf und heimische Glockenblumenarten sind hingegen wichtige Pollenquellen für Wildbienen. Um über die ganze Saison ein Büfett für Bienen, Schmetterlinge und Käfer zu schaffen, sollte es am Balkon über einen möglichst langen Zeitraum blühen. Früh blühen z.B. die Sal-Weide und das FrühlingsFingerkraut, man kann sie auch in Töpfen auf dem Balkon anpflanzen, für die Weide ist ein größeres Pflanzgefäß notwendig. Wertvolle Blühpflanzen für den Balkon sind Wiesen-Margerite, -Flockenblume, -Witwenblume, -Salbei sowie Wilde Möhre und Heilziest. Lässt man die Samenstände von Sonnenblumen oder Wilden Karden stehen, locken sie als natürliche Futterstelle Vögel an, auch auf dem Balkon. Auf Pestizide und Kunstdünger sollte man auf dem Naturbalkon komplett verzichten. Sie vergiften nützliche Bodenlebewesen und Wildtiere. Auch sind sie für den Menschen in manchen Fällen schädlich. Ein funktionierender ökologischer Kreislauf benötigt keine Pestizide, in ihm sorgen zum Beispiel Marienkäfer und ihre Larven oder Blaumeisen dafür, dass Blattläuse nicht überhandnehmen. Als Dünger eignet sich selbstgemachte Brennnesseljauche. Beim Einkauf von Erde ist es besonders wichtig, eine torffreie Sorte zu wählen. Denn der Torfabbau ist doppelt schädlich für den Arten- und Klimaschutz. Einerseits werden dabei die Moore und damit einzigartige Lebensräume, auf die viele seltene Tier- und Pflanzenarten angewiesen sind, zerstört. Zum anderen setzt der Torfabbau große Mengen CO2 frei, was den Klimawandel weiter vorantreibt. Mittlerweile gibt es im Handel eine große Auswahl an Blumenerden ohne Torf. Aber Vorsicht: Auch „torfreduzierte“ Erden enthalten oft noch einen erheblichen Torfanteil. Eine Bio-Zertifizierung der Erde ist aus ökologischer Sicht sinnvoll; allerdings bedeutet bio nicht gleich torffrei, deshalb ist es am besten, auf beides zu achten. Nisthilfen am Balkon Auch Nistmöglichkeiten können helfen, verschiedene Wildtiere auf den Balkon einzuladen. So ist für einige Wildbienenarten ein Insektenhotel geeignet, an dem man die Gäste auch schön beobachten kann. Pollenreiche Pflanzen sollten sich in unmittelbarer Nähe dazu befinden, da die Distanz zwischen Futterquelle und Nistplatz nicht zu groß sein darf. Die Nisthilfe sollte an einem sonnigen, vor der Witterung geschütztem Standort, der nicht der prallen Mittagssonne ausgesetzt ist, angebracht werden. Sie sollte nicht frei hängen, da das die Bienen stört. Sowohl beim Kauf als auch beim Bau eines Wildbienenhotels sind ein paar Details relevant: Als Brutröhren eignen sich Bohrlöcher in Hartholzblöcken mit Durchmessern von 2–9 Millimeter. Die Löcher sollen dabei in die Rindenseite des Holzes gebohrt sein und nicht in die Stirnseite mit den Jahresringen. Außerdem sind auch hohle waagrecht angebrachte Pflanzenstängel, die am hinteren Ende verschlossen werden, als Niströhren möglich. Bei beiden Varianten ist es wichtig, dass die offenen Enden glatt abgeschliffen werden, damit sich die Wildbienen ihre Flügel nicht verletzen. Nistkästen für Vögel auf dem Balkon werden gerne von Blau- oder Kohlmeisen angenommen. Die Vorderseite des Kastens sollte nach Osten bis Süden zeigen, das Einflugloch sollte möglichst vom Hauptgeschehen des Balkons abgekehrt sein. Zur Reinigung sollte das alte Nest im Oktober oder November entfernt und in der Biotonne oder im Kompost entsorgt werden. Mit dieser blühenden Vielfalt und Rückzugsorten fühlen sich sicher Wildtiere und Menschen auf dem kleinen Naturparadies am Balkon wohl. Beim Einkauf von Erde auf torffreie und zusätzlich Bio-Ware achten. Wildbienen nutzen Wildbienenhotels auch am Balkon gerne als Nisthilfe. MARION DORSCH Projekt Biodiversität und Klimawandel E-Mail: marion.dorsch@lbv.de

22 LBV MAGAZIN 2|25 FOTOS: BENEDIKT GRADL, FRANZISKA BACK REPORTAGE Vogelbeobachtung neu gedacht Der NistkastenDetektiv Bei Klaus Stampfer dreht sich alles um Daten. Früher, als Diplom-Informatiker in einem großen Technikkonzern, war das sein Beruf – heute ist es sein Hobby. Wann und wie viel Strom produziert die eigene PV-Anlage? Wie hoch ist der Wasserverbrauch im Haushalt? Und welchen Anteil davon macht eigentlich die Dusche aus? Der 72-jährige Rentner führt akribisch Listen und Diagramme über all diese Dinge. Was für andere nach mühsamer Buchhaltung klingt, ist für ihn pure Leidenschaft. Kein Wunder, dass auch die Vögel in seinem Garten nicht unbemerkt bleiben. Klaus Stampfer weiß genau, wann sie brüten, wie viele Eier sie legen und wie oft sie in ihren Nistkasten fliegen. Er kennt ihre Futterzeiten, Aufenthaltsdauer und sogar ihre Lieblingsspeisen. Möglich machen das Kameras, Lichtschranken und neuerdings auch Tonaufnahmegeräte, die ihn mit einer Fülle an Daten versorgen. Ein Großteil davon läuft in Echtzeit in seiner 24-StundenBeobachtungsstation im Reihenhaus Lichtschranken überwachen den Flugverkehr am Nistkasten. Anzahl Einflüge pro Tag 0 200 400 600 800 1000 1200 05.5.24 06.5.24 07.5.24 08.5.24 09.5.24 10.5.24 11.5.24 12.5.24 13.5.24 14.5.24 15.5.24 16.5.24 17.5.24 18.5.24 19.5.24 20.5.24 21.5.24 22.5.24 23.5.24 24.5.24 Nistkastenanflüge der Kohlmeisen während der Aufzucht der Jungen im Mai 2024 Ein kurzer Flügelschlag, ein leises Zwitschern – und schon sind sie wieder verschwunden. Doch was treiben die Vögel in unseren Gärten, wenn niemand hinsieht? Klaus Stampfer will es wissen. Mit Lichtschranken, Kameras und jeder Menge Daten entschlüsselt er das geheime Leben der Gartenvögel – und stößt dabei auf erstaunliche Erkenntnisse.

FOTOS: FRANZISKA BACK (2) in Bonstetten zusammen – eine Schatzkammer voller einzigartiger Einblicke ins Leben der Gartenvögel. Alles begann an einem Frühlingstag vor über zehn Jahren. „Ich lag auf dem Liegestuhl unter dem Kirschbaum und beobachtete, wie die Meisen in den Nistkasten ein- und ausflogen“, erinnert er sich. „Da fragte ich mich: Wie oft machen die das eigentlich am Tag?“ Die Neugier packt ihn. Bald installiert er Lichtschranken, die jedes Ein- und Ausfliegen erfassen und ihm die Daten per Funk übermitteln. So findet er heraus, dass Meisen in den Frühlingsmonaten bis zu 1.000 Mal am Tag in den Kasten fliegen – der bisherige Rekord liegt bei 1.565. Mit jeder Antwort wachsen neue Fragen. Was passiert im Inneren des Nistkastens? Wie wird das Nest gebaut, wann werden die Eier gelegt, wie lange dauert das Brüten? Wer übernimmt welche Aufgaben? Und wie entwickeln sich die Küken? Seine Faszination für Daten wird zum Forscherdrang. Also rüstet er weiter auf, installiert Kameras in den Nistkästen – und entdeckt eine völlig neue Welt. Dabei hatte er mit Vögeln eigentlich nie viel am Hut. „Fliegen hat mich immer interessiert – aber nicht Vögel“, sagt er schmunzelnd. Doch mit jedem neuen Detail wird seine Begeisterung für die gefiederten Nachbarn größer. Vom Garten ins Biotop Die LBV-Kreisgruppe Augsburg wird bald auf Klaus Stampfers außergewöhnliche Beobachtungen aufmerksam. Und so bleibt es nicht bei den Vögeln in seinem eigenen Garten. Elf weitere Nistkästen, ausgestattet mit Kameras und Lichtschranken, hängen inzwischen in einem LBV-Biotop, nur wenige Autominuten von seinem ZuIm LBV-Biotop: Klaus Stampfer prüft per Kamera, ob der Nistkasten leer ist. Klaus Stampfer von der LBV-Kreisgruppe Ausgburg LBV MAGAZIN 2|25 23

24 LBV MAGAZIN 2|25 FOTOS: KLAUS STAMPFER (3), FRANZISKA BACK REPORTAGE hause entfernt. Die Datenflut wächst rasant: Allein im Jahr 2020 sammelt er 746.788 Datensätze – 56,476 Megabyte an reinen Zahlen und Messwerten. Dazu kommen Videos mit einer Gesamtlänge von über 2.000 Stunden, die auf 7,11 Terabyte Speicherplatz liegen. Hunderte Stunden verbringt der Tüftler damit, all diese Informationen zu sichten und auszuwerten. Und es lohnt sich. Denn zwischen all den Zahlen und Bildern verbergen sich echte Schätze. Einmal beobachtet Klaus Stampfer eine Blaumeise, die ihrem Jungtier eine Feder ins Schnäbelchen schiebt – Futter oder Versehen? Eine Antwort darauf hat bisher niemand. Besonders faszinieren ihn auch die Stare in seinem Garten, deren Liebesleben ihn immer wieder staunen lässt. „Das Männchen macht dem Weibchen ein richtiges Brautgeschenk in Form eines Blumenstraußes“, erzählt er. Tatsächlich stibitzen die gefiederten Verehrer die schönsten Blüten aus dem Garten, um ihre Auserwählte von sich – und dem gemeinsamen Heim – zu überzeugen. Eine ganze Bilderreihe hat Klaus Stampfer davon. Momente wie diese zeigen ihm immer wieder: Selbst nach all den Jahren gibt es in der Welt der Vögel noch Überraschendes zu entdecken. Vom Hobby zur Langzeitstudie Doch Stampfers Arbeit geht längst über faszinierende Einzelbeobachtungen hinaus. Durch die vielen Jahre akribischer Datenerfassung kann er auch Veränderungen und Trends erkennen. „Was ich mit einer gewissen Sicherheit sagen kann ist, dass die Vögel im Biotop früher mit der Brut beginnen als im Garten“, sagt er. Unzählige Diagramme aus den vergangenen Jahren untermauern diese Beobachtung. Damit er die Daten gezielt auswerten kann, hat er sogar eine eigene Software geschrieben. Eine weitere Erkenntnis aus den gesammelten Zahlen: Die Stare in seinem Garten fangen jedes Jahr ein wenig früher mit der Brut an. Doch um solche Entwicklungen wirklich sicher belegen zu können, braucht es mehr Daten. Klaus Stampfer wünscht sich daher, dass auch andere Hobbyforscher oder Ornithologen auf den Geschmack kommen und zu Nistkasten-Detektiven werden. „Es wäre toll, wenn andere so etwas auch beobachten und melden“, sagt er. Denn je mehr Menschen mitforschen, desto klarer wird das Bild vom Leben der Vögel und von möglichen Veränderungen. Auch wenn Datenerfassung eine nüchterne Angelegenheit sein mag, bleibt sie für Klaus Stampfer nicht ohne Emotionen. Besonders dann nicht, wenn ein Vogelpaar seine Brut aufgibt. Tagelang beobachtet er, wie die Eltern ihre Jungen füttern, wärmen, umsorgen – und dann plötzlich nicht mehr zurückkehren. Solche Momente berühren ihn. Aber auch hier hilft der Blick in die Zahlen: Über die Erfolgsrate bei der Brut und die Gründe für deren Aufgabe führt er akribische Aufzeichnungen. Von 2013 bis 2021 dokumentierte er insgesamt 34 Kohlmeisen-Bruten mit 274 gelegten Eiern. 251 Küken schlüpften, doch nur 145 (57,77 Durchschnittlicher Verbrauch an Meisenknödeln pro Tag (Mittel der Jahre 2015–2024) Stück Meisenknödel pro Tag 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Futter für Daten: Dank Kameras entgeht Klaus Stampfer auch am Futterhaus kein Schnabelgriff. Einblick ins Liebesleben der Stare: blumiges Brautgeschenk fürs Weibchen Rätselhafte Szene: Eine junge Blaumeise wird mit einer Feder gefüttert. Mieterwechsel im Nistkasten: Eine Siebenschläferfamilie zieht ein.

LBV MAGAZIN 2|25 25 - ANZEIGE - WE SHOW YOU! Alle Programmpunkte finden Sie unter: deutsches-theater.de Lernen Sie auch unsere Kulturbühne im Silbersaal kennen: deutsches-theater.de/programm/silbersaal 03.- 06.07.25 09.- 13.07.25 Prozent) schafften es schließlich aus dem Nest. 106 Jungvögel überlebten die Nestlingszeit nicht. Der häufigste Grund für ihr frühes Ende: plötzliche Temperaturstürze. Denn Klaus Stampfer erfasst nicht nur das Verhalten der Vögel – auch das Wetter wird mit aufgezeichnet. An der Futterstelle in Klaus Stampfers Garten lassen sich ebenfalls spannende Muster erkennen – und natürlich überwacht eine Kamera das Geschehen. Besonders interessiert ihn, wie das Wetter das Fressverhalten der Vögel beeinflusst. Seine Theorie: Je wärmer es ist, desto reger geht es am Futterplatz zu. „Zumindest bis die 30-Grad-Marke geknackt wird. Ab dann gibt es eine negative Korrelation“, erklärt er. Seine Daten bestätigen das: Der Futterverbrauch erreicht seinen Höhepunkt meist im Hochsommermonat Juli. Den Großteil der Besucher machen Feldsperlinge aus (65 Prozent), gefolgt von Kohlmeisen (25 Prozent) und Blaumeisen (10 Prozent). Doch ob unter den Meisen auch jene sind, die einst in seinen Nistkästen geschlüpft sind, kann er bislang nicht sagen. Eine Lösung für dieses Rätsel wird ihm aber früher oder später sicher einfallen – erste Ideen schlummern bereits in seinem Kopf. Neue Dimension der Beobachtung Seit kurzem widmet er sich einer neuen Dimension der Vogelbeobachtung: dem Hören. Neben Kameras setzt Stampfer nun auch auf kleine Aufzeichnungsboxen, die Vogelstimmen erfassen. Die gesammelten Audiodaten lässt er von verschiedenen KI-Systemen analysieren – mit durchwachsenen Ergebnissen. „Einige der Zuordnungen sind eher fragwürdig bis unmöglich“, merkt er trocken an. Doch die Methode eröffnet ganz neue Möglichkeiten: Nicht mehr nur die Vögel in den Nistkästen, sondern auch jene, die in den Hecken zwitschern oder hoch oben am Himmel ziehen, können nun Teil seiner Forschung werden. Damit sich die Vögel weiterhin wohlfühlen, investieren Klaus Stampfer und seine Frau viel Zeit in eine möglichst naturnahe Gartengestaltung. Das Verhältnis zwischen ihm und seinen gefiederten Gästen fasst er augenzwinkernd so zusammen: „Ich gebe den Vögeln Futter und Nistplätze – und sie danken es mir mit Daten.“ FRANZISKA BACK Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein E-Mail: franziska.back@lbv.de Fotos, Videos, Berichte und Grafiken aus seiner Vogelbeobachtung präsentiert Klaus Stampfer auch auf seiner Webseite: klaus-stampfer.de FOTO: FRANZISKA BACK Vogel-TV live: Auf den Bildschirmen sieht Klaus Stampfer, was gerade in den Nistkästen passiert.

26 LBV MAGAZIN 2|25 FOTOS: ZDENEK TUNKA (2), RALPH STURM, TOBIAS PATSCHINKA Wiesenbrüter und Feldvögel zählen zu den am stärksten gefährdeten heimischen Vogelarten. Die Bestände gehen massiv zurück! Um sie zu retten, sind vielfältige Maßnahmen nötig: Wir müssen für spätere Mahdtermine sorgen und die ökologische Bewirtschaftung fördern. Wir brauchen mehr Randstreifen an Feldern und ein besseres Wassermanagement für unsere Feuchtwiesen, um Im Einsatz für die Feldvögel Wiesenbrüter brauchen unsere Hilfe, denn 80 Prozent der Feldvögel sind in den letzten 40 Jahren verschwunden. die Brutbedingungen zu verbessern. Bei besonders seltenen Arten spüren wir die Gelege auf, zäunen diese zum Schutz vor Fressfeinden ein und schützen sie vor den Erntemaschinen. Dafür bilden wir jährlich zahlreiche Helferinnen und Helfer aus. Dabei ist eine vertrauensvolle Kooperation mit den Landwirten und Landwirtinnen der Schlüssel zum langfristigen Erfolg. SPENDENAKTION Wiesenweihen brüten in Getreidefeldern.

DAFÜR BRAUCHEN WIR IHRE HILFE Der Große Brachvogel ist in Bayern vom Aussterben bedroht. Es gibt nur noch rund 530 Brutpaare. In den vergangenen 40 Jahren haben sich die Bestandszahlen halbiert. Seit 2017 haben wir diese Vogelart mit GPSTechnologie erforscht. So konnten wir mehr darüber erfahren, wo die Vögel brüten, welchen Gefahren sie ausgesetzt sind und welche Zugrouten sie nutzen. Mit den Ergebnissen können wir lokale Schutzprojekte umsetzen. Hierfür brauchen wir finanzielle Unterstützung. Über 40 Brachvögel haben wir mit kleinen, leichten Sendern ausgestattet. Dadurch konnten wir die nächtlichen Schlafplätze der Vögel entdecken und schützen. Die Nacht birgt besondere Gefahren, weil Füchse und Marder dann auf der Jagd sind. Dieses Projekt führten wir zusammen mit dem Landesamt für Umwelt (LfU) und dem Bayerischen Naturschutzfonds durch. Die sensibelste Phase für das Kiebitzweibchen beginnt Ende März mit der Eiablage. Solange das Gelege noch nicht vollständig ist, sind Störungen fatal. Meistens wird das Nest aufgegeben. Auch während der Brutzeit können Störungen dazu führen, dass das Gelege verlassen wird. Zusammen mit den Landwirten schützen wir die Küken. Wir unterstützen sie bei der Gelegesuche und helfen ihnen, die Nester bei der Feldarbeit zu umfahren oder sie bei der Nutzung auszulassen. Zusammen legen wir „Kiebitzinseln“ an. Die kleinen Flächen, die innerhalb von Äckern oder Grünland liegen, sollen den Vögeln Flächen zum Brüten und Nahrungsmöglichkeiten bieten. Die „Kiebitzinseln“ sind von der landwirtschaftlichen Nutzung ausgeschlossen. Damit die jungen Kiebitze vor Räubern wie Fuchs und Marder geschützt sind, werden sie zusätzlich mit einem Zaun beschützt. In Bayern gibt es endlich wieder rund 250 Wiesenweihenpaare. Das ist ein großer Erfolg unserer langjährigen Schutzmaßnahmen. Wir bilden jährlich zahlreiche Helferinnen und Helfer aus, die uns bei der Arbeit vor Ort unterstützen. Ab Mitte April beginnen wir mit der Suche nach potenziellen Nistplätzen. Diese befinden sich vor allem in Getreidefeldern und sind dort durch Erntemaschinen in Gefahr. Deshalb beobachten wir im Mai die balzenden Paare und grenzen die Nistplätze weiter ein. Mit Hilfe einer Drohne, die mit einer Wärmebildkamera ausgestattet ist, spüren wir die Gelege auf. Ab Ende Juni kontrollieren wir die Nester zur Altersbestimmung der Jungvögel, um den Ausflugtermin der Jungen vorauszuberechnen. Die markierten Bereiche werden bei der Ernte umfahren, um die Jungvögel zu schützen. Schutzprojekt Wiesenweihe Schutzprojekt Kiebitz Schutzprojekt Brachvogel Wiesenweihen sind durch Erntemaschinen in Gefahr. Kiebitz-Küken werden leicht bei der Feldarbeit übersehen. GPS-Sender liefern wichtige Erkenntnisse. LBV MAGAZIN 2|25 27

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