VOGELSCHUTZ 2-21

8 VOGELSCHUTZ 2|21 DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER Im 50. Jahr der Aktion Vogel des Jahres wurde die Vogelart nicht wie üblich durch einen kleinen Kreis von NABU- und LBV-Vertreterinnen und -Vertretern bestimmt, sondern von hunderttausenden von Menschen in ganz Deutschland direkt gewählt. Insgesamt wurden während der Vor- und Hauptwahl über 455.000 Stimmen abgegeben. Das Ergeb- nis: Unser Rotkehlchen ist der Vogel des Jahres 2021 ! Ein, wie ich meine, sehr gutes Ergebnis. Wichtig war zunächst einmal, dass sich die Menschen ebenso unbe- schwert mit der Vogelwelt befassen, wie sie über Fußball oder das Wetter reden. Warum auch nicht? Unsere Vogelwelt ist doch etwas wirklich Wunderbares. Und auch wenn sich die LBVler*innen in Ingolstadt vor allem für die Amsel stark ma- chen und die LBVler*innen in Mittelfranken und im Land- kreis Deggendorf den Kiebitz unterstützen, so wird doch keiner verzweifelt darüber sein, dass der Gewinner das Rotkehlchen ist. Rotkehlchen sind nicht nur hübsch und be- liebt, genau betrachtet ist das Rotkehlchen auch ein natur- schutzfachliches Schwergewicht: So steht es für zumindest in Teilen unordentliche, etwas verwilderte Gärten, mit mög- lichst dornenreichen und damit katzensicheren Büschen, al- tem Laub und vielleicht sogar einem Reisighaufen. So sieht ein Garten voller Leben aus! In eintönigen Schottergärten gibt es keine Rotkehlchen. Ich mag den kleinen Vogel mit dem roten Brustfleck, denn er ist ein Botschafter für etwas Unordnung um uns herum, und ich bin richtig stolz auf die Rotkehlchen in meinem Garten daheim! Toleranz für Gebäudebrüter, Rücksicht auf Wiesenbrüter Unmittelbar um uns herum könnten an vielen Orten auch Gebäudebrüter leben, wenn wir sie nur ließen. Die Erhal- tung von Gebäudebrütern, beispielsweise Mauersegler, Mehlschwalbe, Haussperling oder Turmfalke, ist das Ziel vie- ler LBVler*innen überall in Bayern. Und tatsächlich braucht es oftmals nicht viel, um diesen Arten ein Überleben zu ermöglichen. Auch hier bedarf es meist nur ein wenig To- leranz und vielleicht Mut zur Lücke, denn viele Gebäude- brüter nutzen Nischen und Höhlungen. Als Gegenleistung bereichern diese Arten unsere Welt. Was gibt es Schöneres, als den Ruf von Mehlschwalben am Nest unter dem Dach zu hören, wenn man das Haus verlässt? An meinen Wohnhaus ist das zwar noch nicht der Fall, aber ich arbeite daran. Rücksichtnahme und Vermeidung von Störungen sind ganz zentral auch für das Überleben unserer Wiesenbrü- ter. Trockenlegung und Zerstörung ihrer Lebensräume haben Uferschnepfe, Rot- schenkel, Wachtelkönig und Brachvogel in ganz Bayern an den Rand des Ausster- bens gebracht. In den verbliebenen, winzigen Beständen kann ein einzelner freilaufender Hund zur Brutzeit zum Verlust der gesamten Jahresbrut führen. Bitte nehmen Sie Rücksicht, gerade jetzt. Bleiben Sie in Wiesenbrüter- gebieten auf den Wegen und leinen Sie Ihren Hund an. In diesem Jahr führt der LBV im Auftrag des LfU eine bayern- weite Wiesenbrüterkartierung durch. Auf die Ergebnisse bin ich gespannt – ich sehe ihnen aber auch mit Besorgnis entgegen. LBV-Forschungsbericht Der LBV legt großen Wert auf die Bezeichnung Fachver- band. Unsere Aussagen, Vorschläge und Forderungen basieren auf solider wissenschaftlicher Arbeit. Dabei be- ziehen wir uns nicht nur auf Arbeiten anderer; vielmehr führen wir auch selbst eine große Anzahl von fachlichen Studien durch. Bisher war es eher schwierig, Zugriff auf die jeweiligen Ergebnisse zu bekommen. Um unsere eige- nen Arbeiten verfügbar zu machen und so über den Na- tur- und Artenschutz zu informieren, geben wir nun einen LBV-Forschungsbericht heraus. Die erste Ausgabe liegt jetzt vor. Sie finden eine digitale Version mit Verlinkung zu den Originalarbeiten und ein Bestellformular für die Druckfassung unter www.lbv.de/forschungsbericht. S T A ND P UN K T der Wissenschaft Mit Unterstützung Das Rotkehlchen ist Botschafter für etwas Unordnung im Garten

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