VOGELSCHUTZ 1-21

8 VOGELSCHUTZ 1|21 DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER Nationalpark, Naturpark, Naturschutzgebiet, Biosphärenre- servat, Ramsar-Gebiet, Nationales Naturmonument, Natur- waldreservat, Naturwaldfläche, Landschaftsschutzgebiet, Natura 2000-Gebiet – die Vielfalt der verschiedenen Schutz- gebietskategorien kann schon etwas verwirrend sein. Und dabei ist meine Liste noch nicht einmal vollständig. Die ein- zelnen Schutzgebietskategorien haben alle unterschiedliche Ziele und jede hat ihre Daseinsberechtigung. Die strengsten unter ihnen – Nationalparke und Natur- schutzgebiet – sind elementar wichtige Rückzugsräume für unsere Arten. Daher sind sie zentral, um die Artenvielfalt zu erhalten, und ein wesentliches Instrument im Werkzeug- kasten des Natur- und Artenschutzes. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurden zahlreiche wichtige Schutz- gebiete in Bayern ausgewiesen. Erst kürzlich haben wir uns über die Ausweisung von mehreren zehntausend Hektar nutzungsfreier Waldschutzflächen richtig gefreut – übrigens ein Ergebnis der Gespräche am Runden Tisch Volksbegeh- ren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“. Wir sind ein großes Stück weitergekommen! LBV-Forderungskatalog für Schutzgebiete Es bleiben aber auch noch einige Aufgaben: Ganz oben auf unserer Prioritätenliste für zusätzliche Schutzgebiete in Bayern und seit Jahrzehnten Herzenswunsch des LBV sind großflächige Prozessschutzgebiete im Laubwald. Mit dem Nationalpark Berchtesgaden und dem Nationalpark Baye- rischer Wald sind Hoch- und Mittelgebirge als Naturräume gut abgedeckt. Im Bereich Laubwald klafft aber noch im - mer eine schmerzhafte Lücke. Ein Nationalpark im Steiger- wald und ein Biosphärenreservat Spessart könnten diese wunderbar schließen. Dann noch ein Biosphärenreservat in den Mooren nördlich der Alpen und ein größeres Pro- zessschutzgebiet in den Donauauen, und wir könnten „Ein- richtung von Großschutzgebieten“ praktisch von der Natur- schutz-To-do-Liste streichen. Sicherlich, es gibt andere gut begründete Vorschläge. Die größten Lücken aber hätten wir geschlossen. Darauf könnten wir auch im internationa- len Vergleich sehr stolz sein. Klingt viel? Eigentlich ist die- ses Schutzgebietsnetzwerk nicht mehr, als wir von anderen Ländern mit Selbstverständlichkeit erwarten. Und was wir von anderen erwarten, müssen wir auch zuhause liefern! Schutzgebiete im Klimawandel Strenge Schutzgebiete sind Naturschutz- vorrangflächen. Hier soll die Natur, die Biologische Vielfalt in ihrer ganzen Breite und Dynamik geschützt werden. Vor dem Hintergrund des Klimawandels brau- chen wir robuste, das heißt vor allem ausreichend große, intensiv vernetzte und gut gemanagte Schutzgebiete. Alles Leben, alle Arten und alle Lebensräume in einem derarti- gen Schutzgebietssystem hätten viel größere Chancen, die durch den Klimawandel ausgelösten Unsicherheiten wie Ex- tremwetterereignisse und Arealverschiebungen besser zu überstehen. Gerade nutzungsfreie Großschutzgebiete sind aber auch unverzichtbare Referenzorte. Hier können wir, insbesondere in Zeiten des Klimawandels, ohne einzugrei- fen, nur durch Beobachtung, beispielsweise lernen, welche Baumarten bei uns eine Zukunft haben und welche Wald- bilder sich entwickeln. Bevor es im Hinblick auf unsere Forderung nach nutzungs- freien Waldschutzgebieten zum wiederholten Male heißt, dass forstwirtschaftlich genutzte Wälder artenreicher sind als ungenutzte Wälder, hier meine ebenso oft wiederholte Aussage: Ja, auch genutzte Wälder können über eine gro- ße Artenvielfalt verfügen. Bei dem Schutz der Biologischen Vielfalt geht es aber nicht einfach nur um viele Arten, son- dern auch um ganz spezielle. Biologische Vielfalt definiert sich nicht nur über die reine Summe der Arten, sondern auch über die Vielfalt innerhalb einer Art, die Vielfalt der Ar- ten und die Vielfalt der Lebensräume. Arten nur zu zählen reicht nicht aus. Sonst wäre eine Autobahnschneise durch einen geschlossenen Wald, auf der Offenlandarten vorkom - S T A ND P UN K T für uns bedeuten Was Schutzgebiete Ein Biosphärenreservat im Spessart ist ein Herzenswunsch des LBV

RkJQdWJsaXNoZXIy NDEzNzE=