18 LBV MAGAZIN 4|25 THEMA FOTO: HENNING WERTH DAVID SCHUHWERK Mitarbeiter im Bartgeierprojekt E-Mail: david.schuhwerk@lbv.de verfolgen – mit dreitägiger Verzögerung zum Schutz der Tiere. Diese breite Unterstützung durch die Öffentlichkeit und Ehrenamtliche ist ein wesentlicher Grund für den bisherigen Projekterfolg. Neben den direkten Artenschutzmaßnahmen wird das Projekt auch zur Erhebung wichtiger verhaltensbiologischer Grundlagendaten genutzt. Vom Tag der Auswilderung bis zum endgültigen Verlassen des Nationalparks im Herbst des Jahres wird von einem täglich von morgens bis abends anwesenden Beobachtungsteam eine Vielzahl von Verhaltensweisen akribisch dokumentiert. So gibt es seit Projektbeginn eine genaue Aufzeichnung aller Flügelschläge der Jungvögel zur Stärkung der Brustmuskeln, aller aufgenommenen Nahrungsstücke und jeder Interaktion miteinander oder mit anderen Arten wie dem Steinadler. Neben vielen weiteren Daten zum Flugverhalten, zu Höhenprofilen, genutzten Schlafplätzen und Bewegungsmustern ergibt sich eine enorme Datenfülle, die bereits für mehrere Auswertungen, etwa in Form von Masterarbeiten, genutzt wurde. Ausblick auf die nächsten fünf Jahre Bis mindestens 2030 sollen weiterhin jedes Jahr zwei bis drei junge Geier im Nationalpark ausgewildert werden. Parallel erwartet das Projektteam in diesem Zeitraum erste Paarbildungen und Brutversuche ausgewilderter Vögel. Realistisch erscheint, dass in diesem Zeitraum erstmals ein junger Bartgeier in den Bayerischen Alpen schlüpft und flügge wird – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur dauerhaften Rückkehr dieser Art. Mit jedem weiteren Jahr wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sich feste Brutpaare etablieren – auch in angrenzenden Bereichen außerhalb des Nationalparks, etwa im benachbarten österreichischen Alpenraum. lbv.de/naturschutz/arten-schuetzen/voegel/bartgeier Noch mehr Wissen über unsere bisher ausgewilderten Bartgeier unter: Aus den Allgäuer Alpen gibt es eine ganze Reihe historisch verbürgter Bartgeiernachweise. Zudem entwickelt sich die Region schon seit Längerem geradezu zum „BartgeierHotspot“: Besonders im Frühjahr 2025 waren ausnehmend viele Jungvögel in den Allgäuer Hochalpen unterwegs. Im April 2025 konnten im Oytal gar sechs immature Vögel gleichzeitig gesichtet werden. Darunter waren neben Sisi und Vinzenz mehrere junge Wildvögel. Auch Dagmar, Wiggerl und andere Jungvögel aus westlichen Wiederansiedlungsgebieten flogen in der Region herum. Schon die Machbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung in Bayern ergab, Bartgeier im Allgäu dass das Allgäu bayernweit offensichtlich die besten Voraussetzungen für eine natürliche Wiederbesiedlung durch Bartgeier bietet. In den vergangenen Jahren konzentrierte sich eine Vielzahl von Beobachtungen in dieser Region. Vor Beginn der Bartgeier-Auswilderungen in Berchtesgaden stammten 63 Prozent aller bisherigen deutschen Bartgeier-Sichtungen aus dem Allgäu. Die hervorragenden naturräumlichen Bedingungen im Allgäu sind offensichtlich: Eine im Vergleich zu den östlichen Bayerischen Alpen geringere Waldbestockung, ein relativ hoher Steinbockbestand (bzw. generell hohe Paarhuferbestände) und aufgrund Schneereichtum und Lawinengefahr viele im Winter weitgehend ungestörte Seitentäler. Im nahegelegenen Tiroler Lechtal gibt es inzwischen zwei Bartgeierreviere: Eines davon wurde erst 2024 entdeckt, das andere besteht aus zwei bekannten wiederangesiedelten Bartgeiern, die seit 2017 ein Revier begründet haben und inzwischen schon sechsmal erfolgreich Nachkommen großziehen konnten. Die Region profitiert insgesamt von der Dynamik, die durch die erfolgreichen Etablierungen im Schweizer Engadin und der italienischen Lombardei entstanden ist. Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung in der Region und bitten in diesem Zusammenhang dringlichst um die Meldung von Beobachtungen unter bartgeier@lbv.de. Bis dahin bleibt das Engagement für sichere Lebensräume, bleifreie Jagd und stabile Partnernetzwerke zentral – ebenso wie die Begeisterung der Öffentlichkeit für den „Knochenfresser“, der längst zu einem Symbol für erfolgreichen Artenschutz geworden ist. Das Projekt in Berchtesgaden steht heute stellvertretend für einen zeitgemäßen Typ von Wiederansiedlungsprojekten: wissenschaftlich fundiert, länderübergreifend vernetzt, gesellschaftlich mitgetragen und in seinen Zielen realistisch, aber ambitioniert. TONI WEGSCHEIDER 1. Vorsitzender Kreisgruppe Berchtesgadener Land, LBV-Bartgeierbeauftragter E-Mail: toni.wegscheider@lbv.de
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