Neben dem Skistar Interview mit Felix Neureuther Unter Geiern Fünf Jahre Bartgeierauswilderung Über Adler Auf Steinadler- wanderung im Allgäu Lebens- raum Alpen Artenschutz in den Bergen VOGEL- UND NATURSCHUTZ IN BAYERN magazin 4|2025
2 LBV MAGAZIN 4|25 FALKE-Leser erhalten Monat für Monat aktuelle und kompetente Berichte aus erster Hand. DER FALKE informiert Einsteiger wie auch fortgeschrittene Vogelbeobachter regelmäßig über alles, was interessant, spannend und wichtig ist. Zum Beispiel: » Vogelwelt aktuell: Neueste Erkenntnisse aus der Forschung » Vogelschutz: Nationale und internationale Aktionen » Reisetipps: Vorstellung interessanter Regionen » Beobachtungen: Spannende Einblicke und bemerkenswerte Fotos » Leute & Ereignisse: Events, Termine und Berichte aus der Szene » Bestimmung: Hilfe bei kniffligen Fragen » Projekte & Notizen: Fotogalerie, Rezensionen, Kleinanzeigen u.v.a.m. www.falke-journal.de Mehr Informationen und Bestellmöglichkeiten unter: Nutzen Sie unser attraktives Kennenlern-Angebot: AULA-Verlag GmbH | Industriepark 3 | 56291 Wiebelsheim | Deutschland Telefon: +49 (0)6766 903-141 | Fax: -320 | E-Mail: vertrieb@aula-verlag.de | www.aula-verlag.de
LBV MAGAZIN 4|25 3 für Außenstehende ist es derzeit gar nicht so einfach, mitzubekommen, wie die Politik dem Naturschutz Stück für Stück das Wasser abgräbt. Hier eine Einsparung bei der Finanzierung, dort eine zurückgenommene Verordnung und da ein abgeschaffter Bericht. Wir können aktuell nicht öffentlich gegen den Bau einer großen Skischaukel in einer Alpenschutzzone kämpfen, wie damals am Riedberger Horn. Stattdessen sind es Beschlüsse auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene, die in ihrer Summe eine so massive Bedrohung für unsere Arbeit als Naturschutzverband darstellen, wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Wenn eine Demontage also leise vor sich geht und das auch noch in einer Zeit, in der die Gesellschaft ihre Aufmerksamkeit auf ganz andere Bereiche richtet, dann ist es eine Gratwanderung, wie man sich als Verband noch Gehör verschaffen kann. Soll man entgegen seinem Selbstverständnis laut werden wie viele andere oder weiterhin diplomatisch ruhig bleiben? Wir jedenfalls geben nicht auf und ziehen auch dank Ihrer fortdauernden Unterstützung die Zügel an! Denn Naturschutz ist nicht verhandelbar. Die Alpen sind ein faszinierender Natur- und Lebensraum, den es so in Deutschland nur bei uns in Bayern gibt. Der LBV setzt sich in vielen Projekten für die faszinierende Natur dort ein, und dazu möchten wir Ihnen in dieser Ausgabe einen Einblick geben. Liebe Leserinnen und Leser, Naturschutz ist nicht verhandelbar Viel Spaß beim Lesen! Ihr Markus Erlwein Chefredakteur In den vergangenen fünf Jahren hat Oliver Wittig als Autor unserer Technikrubrik zahlreiche Ferngläser, Spektive und andere technische Geräte mit Bezug zum Naturschutz ehrenamtlich für uns getestet. In Zukunft möchte er sich verstärkt für andere Themen einsetzen. Für sein außergewöhnliches Engagement möchten wir uns ganz herzlich bei ihm bedanken. Großes Dankeschön EDITORIAL FOTO: KARIN MENGELE Tagesaktuelle Nachrichten finden Sie unter lbv.de/newsletter lbv_bayern lbv.de VOGEL- UND NATURSCHUTZ IN BAYERN LBV magazin
4 LBV MAGAZIN 4|25 INHALT Dieses Druckerzeugnis ist mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. www.blauer-engel.de/uz195 · ressourcenschonend und · umweltfreundlich hergestellt · emissionsarm gedruckt XW1 überwiegend aus Altpapier Sie lesen klimaneutral und umweltfreundlich Titelbild: Alpensalamander von Hansruedi Weyrich FOTOS: RICHARD STRAUB, DR. CHRISTOPH MONING, FREDERICK MANCK, MONIKA SCHIRUTSCHKE (2), SWAROVSKI OPTIK, SABINE BRAUER Mehr Informationen zur Berechnungsmethodik, zur Kompensation und dem gewählten GoldstandardKlimaschutzprojekt finden Sie unter klima-druck.de/ID. klima-druck.de ID-Nr. Druckprodukt CO₂ kompensiert 25211549 6 Im Fokus Der Mauerläufer 8 Leserbriefe 9 Kurzmeldungen 10 Standpunkt Dr. Norbert Schäffer 12 Der Alpensalamander LBV-Projekt für einen einzigartigen Bergbewohner 14 Zwischenbilanz im Bartgeierprojekt Fünf Jahre erfolgreicher Artenschutz in den Alpen 19 LBV-Mitgliedschaft verschenken Machen Sie anderen eine Freude zum Fest 20 Interview mit Felix Neureuther Ein Gespräch über den Schutz der Alpen 22 Steinadler-Reportage Auf LBV-Führung im Allgäu mit Marlon Stawinoga 14 22 20 12 Steinadlersichtungen garantiert: unterwegs in den Allgäuer Alpen Der ehemalige WeltklasseSkiläufer Felix Neureuther setzt sich für die Alpen ein. Bilanz nach fünf Jahren Bartgeier- auswilderung INHALT Alles, was sie über den Alpensalamander wissen müssen
LBV MAGAZIN 4|25 5 GESCHENKE 2025 09174-4775-7023 naturshop@lbv.de lbv-shop.de Bungee Jumper InsektenSnapy Pärchen gesucht - ANZEIGE - 40 Zehnjährige Erfolgsgeschichte: das Klassenzimmer Alpen 26 Spendenaktion Ein Geschenk für die Natur Einhefter • Überweisungsträger für Ihre Weihnachtsspende • Meldebogen Stunde der Wintervögel 28 LBV AKTIV 34 NAJU Neues von der Naturschutzjugend 36 LBV-Schutzgebiet Ammertaler Wiesmahdhänge 38 Politik Bleifreie Jagd: Interview mit Berufsjäger Max Keler 40 Umweltbildung Klassenzimmer Alpen 42 Stiftung Wir fördern Innovation 43 Erbschaft Warum ein Testament so wichtig ist 44 Vögel beobachten in den Bergen Das Alpenvogelmonitoring 46 Test Vier unterschiedliche Ferngläser im Überblick 48 Medien Empfehlungen 50 Impressum und Kontakte 46 Spitzenoptik im Test Pflege eines LBVSchutzgebiets in den Oberammergauer Alpen 36
MAUERLÄUFER | FOTO: SEVERIN BIGLER 6 LBV MAGAZIN 4|25
Wer einmal im Leben das Privileg hatte, einen Mauerläufer beobachten zu können, wird diesen Moment wohl nie mehr vergessen. Der etwa amselgroße Vogel gehört zu den spektakulärsten Arten, die in den Bayerischen Alpen brüten. Neben einem größtenteils grau gefärbten Körper zeigt sich auf den schwärzlichen, runden Flügeln eine leuchtend karminrote Färbung mit weiß punktierten Deckfedern. Auffällig ist auch der lange, dunkle Schnabel. Dem Fotografen Severin Bigler gelang dieser seltene Schnappschuss einer Fütterung in der Felssteilwand. Die Jungvögel machen dabei durch Bettelrufe und mit abgespreizten Flügeln auf sich aufmerksam. Die eigentliche Fütterung dauert jeweils nur ein bis zwei Sekunden. Danach fliegt der Altvogel wieder weg, während der Jungvogel bettelnd zurückbleibt oder dem Altvogel nachflattert. DER MAUERLÄUFER LBV MAGAZIN 4|25 7
8 LBV MAGAZIN 4|25 LESERBRIEFE Wildnis im Garten Als Vogelfreunde haben wir eine Idee realisiert: Schaffung von Nistmöglichkeiten in einem verwilderten Baum. Dieser ist dadurch entstanden, dass er vollkommen von Efeu eingehüllt ist. Amseln, Meisen (Nistkasten) und eine Ringeltaube haben heuer dort gebrütet. Heribert M. Reusch, 97453 Schonungen – Franken Zum Leserbrief „Mehr Akzeptanz für Schottergärten“ (3/25) Schotterfläche wird zur Hinguckerfläche Es kann doch nicht die Lösung sein, als LBV-Mitglied den Schottergärten mehr Akzeptanz zukommen zu lassen. Mein Vorschlag: Hilfe für das Schottergartenklientel. Zum Beispiel: eine Begrünung der Fläche, die geringe Pflege, wenig Gießen, Artenvielfalt sowie für alle Standortfaktoren eine attraktive grüne Visitenkarte der Bewohner ist. Oder es wird ein heimischer Baum/Strauch als Schattenspender gepflanzt, Stauden/Gräser werden als Schutz und Feuchtigkeitsspender unterpflanzt und dazu Blumenzwiebeln, das ergibt einen perfekten Hingucker. Das alles amortisiert sich auch noch, oder? Es gibt sie, die heimische Gartenvielfalt in einem attraktiven Gewand, die pflegeleicht ist und obendrein zukünftig Hitze- und Trockenperioden überstehen wird. Helfer für Menschen mit wenig Zeit wären z.B. Wildpflanzengärtnereien, die über Versand arbeiten. Man schickt einfach ein Foto von seinem Standort, äußert seine Wünsche und bekommt einen preislich mehr als akzeptablen Planungsvorschlag (www.gaertnerei-strickler.de). Die bestellten Pflanzen werden geliefert. Ich pflanze nach Plan abstandsgerecht selbst ein. Auch über den Naturgarten e.V. erhalten Sie Adressen ausführender Fachbetriebe. Schottergärten dagegen können bis 10 Grad mehr Hitze entwickeln. Durch ein sogenanntes Unkrautvlies dringen tiefwurzelnde Pflanzen, Flugsamen oder herabfallendes Laub sorgen dann für vorprogrammierte Mehrarbeit, wer will das schon. Klaus Hermann, 82223 Eichenau Bio-Lebensmittel sind gut für den Artenschutz Artensterben! Insekten und deren Nahrungspflanzen werden durch den Einsatz von giftigen Spritzmitteln wie Glyphosat beeinträchtigt bzw. vernichtet, auch unser Grundwasser wird dadurch belastet. Die Herstellung von Kunstdünger ist mit hohem Stromverbrauch verbunden und verursacht erhebliche CO2-Emissionen. Das gilt auch für die Verfütterung von Soja (Urwaldrodung, Transport) und nicht zuletzt für den Verzehr von Fleisch, Wurst und Käse. Beim Verzehr von Bio-Lebensmitteln verringern sich die Umweltschäden erheblich, die Artenvielfalt bleibt weitgehend erhalten. Die Lebensdauer von Bio-Tieren ist aufgrund besserer Stallhaltung und des Verzichts auf Stress- und Wachstumshormone sowie Antibiotika-Gaben wesentlich länger. Sie sehen: Ökologisch erzeugte Lebensmittel verhindern die verheerenden Schäden am Klima und an der Artenvielfalt. Erfahrungsgemäß werden regional erzeugte Lebensmittel oft mit Bio-Lebensmitteln verwechselt. Zu Unrecht, denn nur bio-zertifizierte Lebensmittel haben zwingend einen ökologischen und qualitativen Vorteil. Insbesondere schützt der unbestimmte Begriff „regional erzeugt“ nicht vor Behandlung mit Pestiziden. Die kürzeren Transportwege sind ein kleiner ökologischer Vorteil. Da die Bundesregierung hier keine grundlegenden Maßnahmen geplant hat, bitte ich Sie, alles zu tun, damit durch Ihren gesünderen, ökologischen Nahrungsverzehr weiteres Artensterben verhindert wird. Ihre Ernährungswende schont Tiere, Natur und Umwelt und gibt Ihnen persönlich ein gutes Gefühl. Franz Amann, 96114 Hirschaid Wally zu malen war mir eine echte Herzensangelegenheit, da ich sie bei ihrem ersten Flug beobachten durfte. Auf meinem Gemälde gleitet sie kraftvoll und doch leicht dahin und bleibt somit unvergessen. Das Bild ist in Mischtechnik entstanden. Acryl, Öl und Kreide auf Leinwand, 60 x 60 cm. Andrea Ebner, 83098 Brannenburg FOTOS: HERIBERT M. REUSCH, ANDREA EBNER, DR. OLAF BRODERS, FRANZISKA BACK, HERBERT HENDERKES Ihre Meinung ist uns wichtig! Schreiben Sie uns unter leserbriefe@lbv.de oder per Post an Redaktion LBV magazin, Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein. Die Redaktion behält sich aus Platzgründen eine Auswahl und das Kürzen von Leserzuschriften vor. Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. i Post
Rebhuhn ist Vogel des Jahres 2026 „Rep-rep-rep“ ruft es von den Feldern: Das Rebhuhn ist Vogel des Jahres 2026 und löst damit ab Januar den Hausrotschwanz ab. Bei der sechsten öffentlichen Wahl des LBV und seines bundesweiten Partners NABU haben insgesamt 184.044 Menschen mitgemacht – ein neuer Rekord. 26.552 Stimmen davon kamen aus Bayern. Insgesamt 81.855 (44,5 Prozent) der Stimmen entfielen dabei auf das Rebhuhn, 49.011 (26,6 Prozent) auf die Amsel, 23.352 auf die Waldohreule (12,7 Prozent), 21.556 auf die Schleiereule (11,7 Prozent) und 8.270 (4,5 Prozent) auf den Zwergtaucher. Früher war das Rebhuhn häufig auf den Feldern zu beobachten. Doch seine Bestände schrumpfen dramatisch. Heute gibt es in Bayern geschätzt nur noch 2.300 bis 4.000 Brutpaare. Gezwitscher Alpen-Knigge Rund 100 Millionen Menschen besuchen jährlich den Alpenbogen. Die Freizeit- und Tourismusaktivitäten in den Bergen sind vielfältig. Der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen für eine zukunftsfähige Gesellschaft umfasst ökologische, ökonomische und soziale Aspekte, die in den Bergen genauso ihre Bedeutung haben. Der LBV versucht hier traditionell einen Ausgleich zwischen Nutzung, Arten- und Lebensraumschutz zu erzielen. Wir haben auf unserer Webseite zusammengetragen, was für nachhaltiges Verhalten in den Bergen zu beachten ist. Hier scannen! Bayerns Natur im Fokus: Der LBV-Forschungsbericht ist da Als Fachverband sind wissenschaftliche Erkenntnisse stets die Basis aller Positionen und Forderungen des LBV. Dazu führen viele Ehrenamtliche und Hauptamtliche sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Auftrag des LBV eigene Untersuchungen, Studien oder Kartierungen durch. Die Erkenntnisse daraus werden jährlich im LBV-Forschungsbericht gebündelt. Die neueste Auflage aus dem Jahr 2024 ist nun verfügbar und widmet sich auf rund 70 Seiten unter anderem einer Langzeitstudie zu den Lebensgewohnheiten des Brachvogels, der Bedeutung von Kirchen als Lebensräumen und regionalen Studien zu Schleiereulen, Wildbienen und Zitronenzeisigen. Alle Zusammenfassungen stammen vom Wissenschaftsjournalisten Thomas Krumenacker. Finanziert wird der LBV-Forschungsbericht von der Stiftung Bayerisches Naturerbe. Online ist der Bericht verfügbar unter: lbv.de/forschungsbericht KURZMELDUNGEN Mit Moritz Klose im Reich der Bären Wie verhält man sich, wenn man einem Bären begegnet? Und wird das künftig in Deutschland häufiger vorkommen? Auf diese und weitere Fragen gab Moritz Klose, geschäftsführender Vorstand der NABU International Naturschutzstiftung, im Rahmen eines Vortrags in der Buchhandlung Lehmkuhl in München Antwort. Der renommierte Wildtierexperte ist Autor des Buches Im Reich der Bären. Die gelassenen Gebieter des Waldes und gewährte im Rahmen der Veranstaltung Einblicke in sein Werk, das ein leidenschaftlicher Appell für das Verständnis von Biodiversität und für die ökologische Bedeutung der Wälder und ihrer Bewohner ist. Das Lesen persönlicher Passagen aus dem Buch – beispielsweise über seine erste Begegnung mit einem Bären – verband Klose geschickt mit spannenden Informationen über die Tiere, ihre Lebensart und Verbreitung. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem LBV München statt. LBV MAGAZIN 4|25 9 LBV-Forschungsbericht 2024 Bayerns Natur im Fokus
10 LBV MAGAZIN 4|25 THEMA DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER Haben Sie schon einmal Alpensalamander aus der Nähe gesehen? Ihr glänzend schwarzer Körper erinnert mich an Lakritze. Ihre Biologie ist bemerkenswert: Als einzige heimische Amphibienart sind sie lebendgebärend und benötigen für die Fortpflanzung kein Gewässer. Weibchen bekommen nur ein bis zwei Junge, deren Entwicklung je nach Höhenlage zwei bis vier Jahre dauern kann. Damit ist ihre Reproduktionsrate so gering wie bei Braunbären. Wegen ihrer extrem langsamen Fortpflanzung und geringen Mobilität sind sie besonders verwundbar. Verluste, etwa durch Autos und Fahrräder auf nassen Straßen, sind erheblich. Das zeigen unsere Studien im Allgäu und in Oberbayern. Alpensalamander unter Druck Die teils bestandsgefährdenden Verluste beim Alpensalamander werden oft durch kleine Umweltveränderungen verursacht: ausgebaute Wanderwege und die rasche Verbreitung leistungsstarker E-Bikes, mit denen viele zu jeder Tages- und Nachtzeit mit hoher Geschwindigkeit weit in entlegene Gebiete vordringen. Welche zusätzlichen Effekte der Klimawandel mit trocken-heißen Phasen in den Bayerischen Alpen und der für Feuersalamander verheerende Pilz Bsal haben werden, ist offen. Der LBV informiert Verkehrsteilnehmende und beschildert neuralgische Strecken, damit mit etwas Achtsamkeit das Überfahren seltener passiert. Empfindliche Natur in den Alpen Alpensalamander gehören sicherlich nicht zu den auffälligsten Bewohnern der Alpen. Sehr viel spektakulärer als Bartgeier und Steinadler geht es aber wohl nicht. Gemeinsam haben alle drei Arten, dass sie in ihrem Lebensraum ausgesprochen verwundbar sind: Störungen durch Touristen an einem Steinadlerhorst oder mit Bleimunition belastete Tierkadaver können sich für Steinadler und Bartgeier verheerend auswirken. Selbst wenn sich der Bartgeierbestand in den Westalpen bis zum Allgäu aktuell positiv entwickelt, werden im Osten noch Jahre der Auswilderung nötig sein, um das sehr dünne Vorkommen dort zu stützen und die alpenweit inzuchtgefährdete Art insgesamt genetisch breiter aufzustellen. Unsere Alpen sind für viele Menschen ein Sehnsuchtsort und wirken oftmals wie eine heile Welt. Wie verwundbar die Natur dort aber ist, wird sehr schnell deutlich, wenn man sich die Situation etwas genauer ansieht. Das tun wir mit unserem intensiven Monitoring von Alpenvogelarten. Seilbahnförderung aus der Zeit gefallen Manchmal kann man sich nur noch wundern, beispielsweise über die „Richtlinie zur Förderung von Seilbahnen und Nebenanlagen in kleinen Skigebieten“. Seit Jahren protestiert der LBV gegen dieses Förderinstrument. Am Jenner wurde, wie von uns prognostiziert, durch den Ausbau der Liftanlagen ein wichtiger Birkhuhnbalzplatz vernichtet. Der Skibetrieb am Jenner wurde trotz des mit öffentlichen Mitteln in Millionenhöhe geförderten Liftausbaus nach wenigen Jahren aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt – es schneit im Winter einfach nicht mehr ausreichend. Eine Überraschung sollte das wirklich nicht sein! Die Liftanlage wurde in Teilen zurückgebaut – der Bestand der Birkhühner hat sich aber nicht erholt. Nach wie vor wird der Ausbau von Liftanlagen in den Bayerischen Alpen staatlich bezuschusst. Zumindest für Beschneiungsanlagen ist dies nicht mehr der Fall. Für die Birkhühner am Jenner kam diese Entscheidung leider zu spät. Mit dem sogenannten 3. Modernisierungsgesetz hat die Staatsregierung außerdem den Naturschutz deutlich geschwächt. Besonders problematisch ist die Änderung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP): Für viele Vorhaben, die bislang einer UVP-Pflicht unterlagen, etwa in sensiblen Bereichen von Natura 2000-Gebieten, entfällt diese nun. Das bedeutet konkret, dass Verbände wie der LBV nicht mehr automatisch beteiligt werden und schwerSTANDPUNKT Alpen ist verwundbar Die Natur in den Wir dürfen nicht vergessen, was wir bereits verloren haben
LBV MAGAZIN 4|25 11 wiegende Eingriffe in geschützte Lebensräume ohne umfassende Umweltprüfung stattfinden können. Ein aktueller Fall in einem bayerischen Natura 2000-Gebiet zeigt bereits, welche gravierenden Folgen diese Änderung für den praktischen Naturschutz hat. Gletscher in den Alpen als Fieberthermometer Die UN haben das Jahr 2025 zum Internationalen Jahr der Gletscher ausgerufen. Gletscher zeigen wie ein Fieberthermometer die dramatischen Veränderungen in unseren Gebirgen, auch in den Bayerischen Alpen. Bis vor Kurzem hatte Bayern noch fünf Gletscher an Zugspitze und Watzmann. Der Südliche Schneeferner an der Zugspitze hat im Jahr 2022 seinen Gletscherstatus verloren. Auch die weltberühmte Eiskapelle am Watzmann ist dieses Jahr zusammengebrochen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass bis Anfang der 2030er Jahre alle Gletscher in Bayern verschwunden sein werden. Eine Wanderung von St. Bartholomä am Königsee zur Eiskapelle war für mich in meiner Kindheit der Höhepunkt unseres Familienurlaubs. Jahrzehnte später waren wir mit unseren Kindern dort. Heute gibt es die Eiskapelle nicht mehr. Niemals vergessen, was wir bereits verloren haben In den kommenden Jahrzehnten werden wir uns wohl daran gewöhnen, dass es am Watzmann keine Eiskapelle gibt. Für mich eine Mahnung, dass wir niemals vergessen dürfen, was wir bereits verloren haben. Ein Blick beispielsweise auf die Liste in Bayern ausgestorbener Brutvogelarten wirkt wie die Vogelartenliste aus einem anderen Land. Auch ich muss mir immer wieder bewusst machen, dass beispielsweise Kampfläufer, Kornweihe, Lach- und Trauerseeschwalbe, Rotkopf- und Schwarzstirnwürger, Schreiadler oder Triel durchaus zu unserer Vogelwelt gehörten. Oder der Bestandszusammenbruch ehemals häufiger Vogelarten wie Dr. Norbert Schäffer Rebhuhn und Kiebitz: in meiner Kindheit und Jugend mindestens 20 Mal so häufig wie heute. Vögel sind ein hervorragender Indikator für den Zustand unserer Natur, sozusagen ein Fieberthermometer für unsere Umwelt, genauso wie unsere Gletscher. Naturschutz ist nicht verhandelbar Mit unserem erfolgreichen Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ haben wir die Grundlage gelegt, um den Zusammenbruch der Biologischen Vielfalt aufzuhalten und wenigstens einen Teil von dem zurückzubekommen, was wir über die letzten Jahrzehnte verloren haben. Tatsächlich haben wir in den vergangenen Jahren einige Erfolge erreicht. Jetzt aber scheint sich der Wind zu drehen: Aus Rückenwind für den Natur- und Artenschutz ist heftiger Gegenwind geworden. Gelder sollen gestrichen und Gesetze geschwächt werden. Für den LBV aber ist klar: Natur- und Artenschutz war noch nie so wichtig wie heute! Der Erhalt unserer Lebensgrundlagen kann nicht warten. Daher hat die LBV-Delegiertenversammlung, das höchste Gremium des LBV, während der Sitzung im Oktober 2025 in Coburg eine entsprechende Resolution verabschiedet. Für den LBV ist klar: Naturschutz ist nicht verhandelbar! BIRKHAHN UND BIRKHUHN I FOTOS: MARKUS BOSCH Das Verschwinden der Vögel ist ein Indikator für unsere Umwelt Folgen Sie mir auf LinkedIn unter Dr. Norbert Schäffer
THEMA FOTOS: DR. CHRISTOPH MONING, MATHIAS PABST - STOCK.ADOBE.COM LBV-Projekt für einen einzigartigen Bergbewohner Der Alpensalam Immer noch ist viel zu wenig über den Bestand und die Gefährdung des Alpensalamanders bekannt. Der LBV führt deshalb seit 2020 ein Monitoring durch und will durch eine Informationskampagne aufklären und begeistern. Was Sie über den besonderen Bergbewohner wissen sollten. VON BRIGITTE KRAFT 12 LBV MAGAZIN 4|25 Vorkommen Der Alpensalamander ist eine endemische Amphibie, die in Deutschland fast ausschließlich im Alpenraum vorkommt. Ihr Lebensraum sind lichte Buchen- und Laubmischwälder, meist mit einem feuchtkühlen Klima in der Nähe von Bächen. In Nadelwäldern siedelt die Art nur selten. Oberhalb der Baumgrenze kann man den Alpensalamander auch im Bereich von Alp-/Almweiden, Zwergstrauchfluren, Felsfluren und Schutthalden finden. Die Tiere benötigen strukturreichen Untergrund (Steinplatten, Felsspalten, Totholz, Baumstubben, Kleinsäugergänge) als Tagesverstecke. Die Winterquartiere liegen tief im Boden. Fortpflanzung Einzigartig in der Welt der Amphibien: Der Alpensalamander ist bei der Fortpflanzung nicht auf Gewässer angewiesen, sondern bringt voll entwickelte Jungtiere zur Welt. Nach der Tragezeit, die je nach Höhenlage zwischen zwei und vier Jahren dauert, werden ein bis zwei nur wenige Zentimeter große Jungtiere geboren. Nach fünf Jahren sind sie geschlechtsreif. Das bislang höchste bekannte Lebensalter beträgt 15 Jahre. Beobachten kann man den pechschwarz glänzenden, einzigartigen Bergbewohner von April bis September. Er ist überwiegend nachtaktiv, kann aber nach längerer Trockenheit nach einem Regen/Gewitter auch am Tag bestaunt werden.
Auf dem Speiseplan stehen Würmer, Insekten & Co. Nur rund vier Zentimeter groß ist das Jungtier, wenn es zur Welt kommt. ander LBV MAGAZIN 4|25 13 Schutz Der Alpensalamander ist eine geschützte Art gemäß der FloraFauna-Habitat-Richtlinie (FFH). Dies bedeutet für die EU-Mitgliedstaaten, dass sie ein strenges Schutzsystem einführen müssen, um alle Formen des absichtlichen oder unabsichtlichen Tötens zu unterbinden. Aufgrund der überwiegenden Verbreitung der FFH-Art Alpensalamander in den Bayerischen Alpen hat Bayern eine besondere Verantwortung für den Erhalt und die Förderung dieser Amphibienart. Dennoch ist die Bestandsentwicklung im Verbreitungsgebiet aufgrund fehlender Bestandszahlen aktuell sehr schwierig zu beurteilen. Gefährdung Der Alpensalamander ist unter anderem durch die Zerschneidung seiner Lebensräume durch stark befahrene Wege sowie durch Überfahren gefährdet. Da es bislang keine fachlichen Grundlagen gab, wie hoch die tatsächlichen Verluste entlang von befahrenen Wegen im Alpenraum sind, führt der LBV seit 2020 ein Monitoring auf ausgewählten Wegen durch. Das Vorhaben wird mit Mitteln des Bayerischen Naturschutzfonds, der GlücksSpirale, durch die Regierung von Schwaben und die LBV-Stiftung Bayerisches Naturerbe unterstützt. Erste Ergebnisse zeigen, dass je nach Art und Nutzung der Wege der Anteil der nachgewiesenen überfahrenen Individuen zwischen 0 und bis zu 43,9 Prozent der gezählten Tiere schwankt. Kennenlernen Um über die Bedeutung und Gefährdung des faszinierenden Alpensalamanders zu informieren, hat der LBV im Rahmen des geförderten Projekts auch eine interaktive Ausstellung erstellt, ein Bildungsprogramm für Grundschulen und Kindergärten erarbeitet, einen Flyer konzipiert und einen dazugehörigen Internetauftritt gestaltet. Melden Sollten Sie bei Ihren Wanderungen in den Bayerischen Alpen dem Alpensalamander begegnen, dann würden wir uns über eine Übermittlung des Standortes freuen: lbv.de/alpensalamander-melden FOTOS: JOHANNESHA - STOCK.ADOBE.COM, CARMEN SCHERBAUM, MICHAEL WALCH (2) Alpensalamander entdeckt? Jede Sichtung hilft uns, die Verbreitung des Alpensalamaders besser zu verstehen und zu schützen. EIN BESONDERER BERGBEWOHNER DER ALPENSALAMANDER Helfen Sie mit! Der LBV setzt sich für den Schutz des Alpensalamanders im Rahmen von Bestandserfassungen und Öffentlichkeitsarbeit ein. Augen auf… Achten Sie auf Alpensalamander, wenn Sie bei Regen oder in der Dämmerung auf Wanderwegen unterwegs sind. Nur auf Wegen unterwegs… Bleiben sie auf den Wegen, denn die Tiere können leicht übersehen werden. Einen Gang runter schalten… Achten Sie bei Regen und nasser Fahrbahn auf Alpensalamander. Finger weg… Fassen Sie bitte keine Alpensalamander oder andere Amphibien an. Krankheitserreger könnten so schnell übertragen werden. Lebensräume schützen… Unterstützen Sie den LBV und setzen Sie sich gemeinsam mit uns für den Erhalt von naturnahen Wäldern und intakten Berglebensräumen ein. Gestaltung: monica-ostermeier.de, Albert Kraus | Fotos: Michael Walch (3), Ralph Sturm, Dr. Eberhard Pfeuffer, Dr. Christoph Moning | Druck: uhl-media.de Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V. schwaben.lbv.de lbv.de ©LBV,Der Alpensalamander10/2025 lbv.de/alpensalamander-melden Der Alpensalamander 10/2025 Alpensalamander melden! So können auch Sie dem Alpensalamander helfen: DerLBVerhebtundverarbeitet IhrepersonenbezogenenDaten ausschließlich für Vereinszwecke. DabeiwerdenIhreDaten nurfürLBV-eigeneInformations- undWerbezwecke verarbeitetund genutzt. Dieser Verwendung Ihrer DatenkönnenSiejederzeit, z.B. anmitgliederservice@lbv.de, widersprechen. DetaillierteInformationenzur Datenschutzerklärung desLBVfindenSieonline unter: www.lbv.de/datenschutz Ich ermächtigedenLBV, Zahlungen von meinemKonto mittels SEPA-Lastschrift einzuziehen. Zugleichweiseich meinKreditinstitutan, dievomLBVauf meinKontogezogenen Lastschriften einzulösen. Name, Vorname Kontoinhaber Straße, HausNr. PLZ,Wohnort IBAN D E Datum Unterschrift T T M M J J J J E-Mail Geburtsdatum T T M M J J J J ichteste für 1€proMonatdie LBV-Mitgliedschaftfür ein Jahr. (Endet automatisch! Einzug einmalig.) Ja, Ja, ichwerdemit ................. €proJahr zum Vollmitglied. (Ihr Begrüßungsgeschenk: 15€-Gutscheinfürden LBV-Naturshop.)
Symbol für erfolgreichen Artenschutz THEMA 14 LBV MAGAZIN 4|25 FOTO: HANSRUEDI WEYRICH
Eine Zwischenbilanz nach fünf Jahren Bartgeierprojekt 2021 wurden in Deutschland die ersten beiden Bartgeier Wally und Bavaria ausgewildert. Heute blicken LBV und Nationalpark auf fünf erfolgreiche Auswilderungsjahre zurück. Bis auf Wally, die im April 2022 durch einen Felssturz an der Zugspitze ums Leben kam, sind alle anderen neun Vögel wohlauf. Auch die beiden jüngsten Geier Luisa und Generl entwickeln sich wie erhofft. Der Erfolg des Projekts fußt dabei auch auf der intensiven Zusammenarbeit mit internationalen Zuchtzentren und Zoos, mit denen das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) und die Vulture Conservation Foundation (VCF) die Zucht von Bartgeiern für Auswilderungen europaweit koordinieren. In Bayern wird das Projekt von den hauptamtlichen Mitarbeitenden von LBV und Nationalpark umgesetzt. Hinzu kommen jedes Jahr Dutzende Ehrenamtliche sowie Praktikantinnen und Praktikanten, die beim Monitoring und bei der Öffentlichkeitsarbeit mithelfen. Obwohl junge Bartgeier einen sehr ausgeprägten Entdeckungsdrang haben und mit Tagesstrecken von teils über 500 Kilometern die gesamte Alpenkette zwischen Frankreich und Slowenien befliegen, kehrt der Großteil der Vögel letztlich in ihre Herkunftsregion zurück, um dort sesshaft zu werden. Bavaria, der älteste Geier des Projekts, zeigte nach der Auswilderung bereits ein deutlich territoriales Verhalten und hatte ihren Aktionsraum ausschließlich in einem Tal unmittelbar südöstlich des NatioNoch vor wenigen Jahren war die Sichtung eines Bartgeiers in den Bayerischen Alpen eine kleine Sensation. Heute gehört dieser imposante Aasfresser fast schon zu den etablierten Arten der heimischen Bergwelt und wird regelmäßig zwischen Berchtesgaden und dem Allgäu beobachtet. Diese Entwicklung ist der Erfolg eines groß angelegten Kooperationsprojekts zwischen LBV und Nationalpark Berchtesgaden. Doch es bleibt viel zu tun, um den Bartgeier wieder zu einem dauerhaften Bewohner der Ostalpen zu machen. nalparks. Doch seit dem Frühling dieses Jahres überträgt ihr GPS-Sender keine Daten mehr. Ihr aktueller Aufenthaltsort ist damit unklar, aber es gibt bisher keine Anhaltspunkte, dass Bavaria etwas zugestoßen sein könnte. Vielmehr dürfte ein technischer Defekt des Senders – der aufgrund einer eingebauten Sollbruchstelle ohnehin in absehbarer Zeit abgefallen wäre – der Grund für die ausbleibende Datenübermittlung sein. Unabhängig von ihrem Verbleib scheint angesichts einer wachsenden Zahl älterer Auswilderungsvögel das Ziel einer kleinen, sich selbst tragenden lokalen Population in den Nördlichen Ostalpen greifbar. Ein erster Vorgeschmack war 2021 Bavaria (im Feb. 2025) Wally † (im Aug. 2021) LBV MAGAZIN 4|25 15 FOTO: MARKUS LEITNER FOTO: DAVID SCHUHWERK
Sisi (im Aug. 2025) Nepomuk (im Juni 2025) Recka (im Okt. 2025) Vinzenz (links) und Sisi (rechts) begegneten im Allgäu gleich mehreren anderen jungen Bartgeiern. Einem Fotografen gelang ein Schnappschuss der beiden mit einem Wildvogel (oben). Im Juni 2025 brach Vinzenz zu einer ungewöhnlichen Deutschlandreise auf, die ihn bis an die holländische Nordsee verschlug. Glücklicherweise ist ihm dabei nichts passiert. die zeitweise Rückkehr von fünf der bis dahin sieben aus dem Auswilderungsprojekt stammenden Bartgeier im März 2025 in das direkte Umfeld des Nationalparks. Mit wechselndem gegenseitigen Kontakt beflogen die Jungvögel potenziell für Reviergründungen geeignete Bergketten mit hohen Wildbeständen, bevor sie nach einigen Wochen wieder in verschiedene Regionen des Alpenraums zogen. Etwa zur gleichen Zeit befand sich noch ein unbekannter, wildgeschlüpfter Jungvogel in der Region, der sich bis in den Sommer hinein im Nationalpark aufhielt und im Juli sogar eine Woche bei den in diesem Jahr ausgewilderten beiden Jungvögeln in der Halsgrube blieb, um Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Die deutlich gestiegene Zahl an weiteren Bartgeiersichtungen im Umfeld des Nationalparks ist ein auffälliger Nebeneffekt der Ansiedlungen: Immer häufiger werden junge Wildvögel ohne Markierung oder Sender beobachtet, die aus anderen Regionen des Alpenbogens stammen. Sie werden offenbar durch die Präsenz der lokal ansässigen Junggeier angezogen – ein positives Zeichen für die Vernetzung der Populationen. Der Nationalpark Berchtesgaden entwickelt sich also zunehmend zu einem Anziehungspunkt für Bartgeier im Ostalpenraum. Sowohl die GPS-Daten der Auswilderungsvögel als auch die Nachweise von Bartgeiern aus Frankreich und der Schweiz in den Ostalpen verdeutlichen die enorme Mobilität von jungen Bartgeiern. Mit außergewöhnlichen, wenn auch vom Betreuungsteam mit Sorge betrachteten Flugleistungen sorgte in diesem Jahr Bartgeier Vinzenz für Aufmerksamkeit, als er nach einem Ausflug von über 1.600 Kilometern bis an die Nordseeküste völlig entkräftet wieder eingefangen und erfolgreich in die Alpen zurückgebracht werden konnte. Solche „Eskapaden“ junger Geier sind nicht ungewöhnlich, bergen jedoch Risiken – etwa durch die Kollision mit Windkraftanlagen. In Frankreich und Spanien sind bereits mehrere Bartgeier auf diese Weise oder durch Stromleitungen zu Tode gekommen. In den Niederlanden wurde Vinzenz mit großem Interesse von der dortigen Birder-Szene begleitet. Beobachtungen wurden zahlreich auf Vogelplattformen gemeldet. Zeitweise versammelten sich Dutzende Beobachter unter seinen Schlafbäumen, sodass der anwesende Projekthelfer die Schaulustigen zur Einhaltung einer ausreichenden Distanz zum erschöpften Vogel auffordern musste. Nach der Rückführung und tiermedizinischen Versorgung von Vinzenz in einer Wildtierstation bei Oldenburg „Nationalpark Berchtesgaden wird zum Anziehungspunkt“ 2023 16 LBV MAGAZIN 4|25 Dagmar (im April 2025) 2022 FOTO: CHRISTIAN STEIGER FOTO: ANNA KÄPPELI FOTO: FLORIAN EGGER FOTO: SPEEDYFOTO FOTOS: HANSRUEDI WEYRICH, MALTE KAMP, MATTHIAS FELDHOFF, MARKUS LEITNER
Wiggerl (im Mai 2025) Vinzenz (im Aug. 2025) Flugübungen im Klausbachtal: Die beiden diesjährigen Jungvögel Generl (oben) und Luisa (rechts) zogen länger mit Nepomuk (unten) im Nationalpark umher. 2025 2024 konnte er nach vollständiger Genesung im Juni 2025 wieder in die Freiheit entlassen werden – an einem abgelegenen Ort im Nationalpark Berchtesgaden, wo er sofort in vertrautes Gelände zurückflog. Das Projekt wirkt Ein bedeutender Meilenstein im Kampf gegen Gefährdungsursachen war das Verbot bleihaltiger Jagdmunition in den Bayerischen Staatswäldern – eine direkte Folge des Bartgeierprojekts. Denn Blei in Tierkadavern ist nach wie vor eine der größten Gefahren für gefiederte Aasfresser, seien es See- und Steinadler, Rotmilane oder Geier. Der LBV setzt sich seit Jahren für eine umfassende Umstellung auf bleifreie Munition ein und kooperiert mit Jägerschaft und Behörden, um weitere Fortschritte zu erzielen. Ziel bleibt eine verbindliche Regelung für alle Jagdformen – im Staats-, Kommunal- und Privatwald. Auch bei der Bevölkerung hat das Projekt Spuren hinterlassen. Mit Live-Webcams, einer größeren öffentlichen Berichterstattung, einem reichweitenstarken Blog, einer lebhaften Online-Community und unzähligen Vorträgen und Führungen ist es gelungen, ein hohes Maß an Identifikation mit dieser noch vor wenigen Jahren allgemein unbekannten Vogelart zu schaffen. Über die LBV-Webseite können Interessierte die Flugrouten der Vögel anhand deren GPS-Daten LBV MAGAZIN 4|25 17 THEMA Luisa (im Aug. 2025) Generl (im Aug. 2025) FOTO: CHRISTIAN STEIGER FOTO: CHRISTIAN STEIGER FOTO: UWE STÄHLER FOTO: TOBIAS ERIK REINERS
18 LBV MAGAZIN 4|25 THEMA FOTO: HENNING WERTH DAVID SCHUHWERK Mitarbeiter im Bartgeierprojekt E-Mail: david.schuhwerk@lbv.de verfolgen – mit dreitägiger Verzögerung zum Schutz der Tiere. Diese breite Unterstützung durch die Öffentlichkeit und Ehrenamtliche ist ein wesentlicher Grund für den bisherigen Projekterfolg. Neben den direkten Artenschutzmaßnahmen wird das Projekt auch zur Erhebung wichtiger verhaltensbiologischer Grundlagendaten genutzt. Vom Tag der Auswilderung bis zum endgültigen Verlassen des Nationalparks im Herbst des Jahres wird von einem täglich von morgens bis abends anwesenden Beobachtungsteam eine Vielzahl von Verhaltensweisen akribisch dokumentiert. So gibt es seit Projektbeginn eine genaue Aufzeichnung aller Flügelschläge der Jungvögel zur Stärkung der Brustmuskeln, aller aufgenommenen Nahrungsstücke und jeder Interaktion miteinander oder mit anderen Arten wie dem Steinadler. Neben vielen weiteren Daten zum Flugverhalten, zu Höhenprofilen, genutzten Schlafplätzen und Bewegungsmustern ergibt sich eine enorme Datenfülle, die bereits für mehrere Auswertungen, etwa in Form von Masterarbeiten, genutzt wurde. Ausblick auf die nächsten fünf Jahre Bis mindestens 2030 sollen weiterhin jedes Jahr zwei bis drei junge Geier im Nationalpark ausgewildert werden. Parallel erwartet das Projektteam in diesem Zeitraum erste Paarbildungen und Brutversuche ausgewilderter Vögel. Realistisch erscheint, dass in diesem Zeitraum erstmals ein junger Bartgeier in den Bayerischen Alpen schlüpft und flügge wird – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur dauerhaften Rückkehr dieser Art. Mit jedem weiteren Jahr wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sich feste Brutpaare etablieren – auch in angrenzenden Bereichen außerhalb des Nationalparks, etwa im benachbarten österreichischen Alpenraum. lbv.de/naturschutz/arten-schuetzen/voegel/bartgeier Noch mehr Wissen über unsere bisher ausgewilderten Bartgeier unter: Aus den Allgäuer Alpen gibt es eine ganze Reihe historisch verbürgter Bartgeiernachweise. Zudem entwickelt sich die Region schon seit Längerem geradezu zum „BartgeierHotspot“: Besonders im Frühjahr 2025 waren ausnehmend viele Jungvögel in den Allgäuer Hochalpen unterwegs. Im April 2025 konnten im Oytal gar sechs immature Vögel gleichzeitig gesichtet werden. Darunter waren neben Sisi und Vinzenz mehrere junge Wildvögel. Auch Dagmar, Wiggerl und andere Jungvögel aus westlichen Wiederansiedlungsgebieten flogen in der Region herum. Schon die Machbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung in Bayern ergab, Bartgeier im Allgäu dass das Allgäu bayernweit offensichtlich die besten Voraussetzungen für eine natürliche Wiederbesiedlung durch Bartgeier bietet. In den vergangenen Jahren konzentrierte sich eine Vielzahl von Beobachtungen in dieser Region. Vor Beginn der Bartgeier-Auswilderungen in Berchtesgaden stammten 63 Prozent aller bisherigen deutschen Bartgeier-Sichtungen aus dem Allgäu. Die hervorragenden naturräumlichen Bedingungen im Allgäu sind offensichtlich: Eine im Vergleich zu den östlichen Bayerischen Alpen geringere Waldbestockung, ein relativ hoher Steinbockbestand (bzw. generell hohe Paarhuferbestände) und aufgrund Schneereichtum und Lawinengefahr viele im Winter weitgehend ungestörte Seitentäler. Im nahegelegenen Tiroler Lechtal gibt es inzwischen zwei Bartgeierreviere: Eines davon wurde erst 2024 entdeckt, das andere besteht aus zwei bekannten wiederangesiedelten Bartgeiern, die seit 2017 ein Revier begründet haben und inzwischen schon sechsmal erfolgreich Nachkommen großziehen konnten. Die Region profitiert insgesamt von der Dynamik, die durch die erfolgreichen Etablierungen im Schweizer Engadin und der italienischen Lombardei entstanden ist. Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung in der Region und bitten in diesem Zusammenhang dringlichst um die Meldung von Beobachtungen unter bartgeier@lbv.de. Bis dahin bleibt das Engagement für sichere Lebensräume, bleifreie Jagd und stabile Partnernetzwerke zentral – ebenso wie die Begeisterung der Öffentlichkeit für den „Knochenfresser“, der längst zu einem Symbol für erfolgreichen Artenschutz geworden ist. Das Projekt in Berchtesgaden steht heute stellvertretend für einen zeitgemäßen Typ von Wiederansiedlungsprojekten: wissenschaftlich fundiert, länderübergreifend vernetzt, gesellschaftlich mitgetragen und in seinen Zielen realistisch, aber ambitioniert. TONI WEGSCHEIDER 1. Vorsitzender Kreisgruppe Berchtesgadener Land, LBV-Bartgeierbeauftragter E-Mail: toni.wegscheider@lbv.de
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20 LBV MAGAZIN 4|25 FOTO: ALEXANDER GRUBER Mehr über die Felix Neureuther Stiftung erfahren Sie unter www.felix-neureuther-stiftung.de INTERVIEW Alpenschutz: Im Gespräch mit Felix Neureuther Der ehemalige Weltklasse-Skirennläufer Felix Neureuther (41) setzt sich aktiv für den Naturschutz in den Alpen ein. So weist er immer wieder auf die negativen Auswirkungen des Klimawandels und der schnell abschmelzenden Gletscher auf die Alpenregion und ihr Ökosystem hin. Auch umweltverträglicher Tourismus und mehr Bewusstsein für die Natur sind ihm wichtige Anliegen. Wir haben mit ihm über „seine Berge“ gesprochen. LBV: Felix Neureuther, als LBV kommen wir um diese erste Frage nicht herum: Haben Sie einen Lieblingsvogel und wenn ja, warum? Felix Neureuther: Ja, den Steinadler, der ist bei uns wieder heimisch geworden und fliegt manchmal vom Wetterstein bis über unser Haus und ich kann ihn den Kindern zeigen. Wenn Sie in den Bergen unterwegs sind – welches Gefühl oder welcher Moment ist für Sie der Schönste? Ich liebe die Ruhe in den Bergen: Nur die Natur zu hören und ihr zuzuhören. Sie engagieren sich seit Jahren im Natur- und Umweltschutz, besonders auch beim Schutz der Alpen. Gab es ein Schlüsselerlebnis, dass Sie dazu motiviert hat? Ich habe die Berge direkt vor der Haustür und sehe sie jeden Tag. Und natürlich bemerke ich die Veränderungen durch den Klimawandel. Wenn ich mit meinen Kindern in den Bergen bin, erzähle ich ihnen, wie es dort aussah, als ich noch ein Kind war. Wie groß und erhaben der Gletscher mal war. Oder dass der Berg damals noch nicht so klein war und abgebröckelt ist. Es macht mich traurig, meine Jugendfreunde, die Berge und Gletscher, nach und nach verschwinden zu sehen. Deshalb möchte ich öffentlich darauf aufmerksam machen und im Rahmen meiner Möglichkeiten etwas dagegen tun. Inwiefern hat der Sport Ihren Blick auf die Natur geprägt – und tut es vielleicht heute noch? Die Natur zu erleben – durch das Skifahren – ist für mich etwas Einzigartiges. Und es wäre superschade, wenn die nächsten Generationen das nicht mehr erleben könnten: Das Glitzern des Schnees, die Wolken beim Ausatmen, eine weiße Piste, der Duft der Nadelbäume und die Bewegung an der frischen Luft – das ist so ein Hochgefühl. Damals wie heute, das hat sich nicht verändert. Die von Ihnen gegründete Felix Neureuther Stiftung hat neben dem Umwelt- und Naturschutz besonders auch das Engagement für Kinder und Jugendliche im Blick. Was verbindet diese beiden Schwerpunkte? Gesunde Kinder können nur auf einer gesunden Erde aufwachsen. Deshalb habe ich 2024 auch Gesunde Erde. Gesunde Kinder. mitgegründet, die erste Initiative im deutschsprachigen Raum, die sich speziell auf die Zusammenhänge von Kindergesundheit, Klimawandel und Umweltschutz fokussiert. Unser Ziel ist es, klimabedingte Gesundheitsprobleme von Kindern und Jugendlichen spürbar zu verringern – gemeinsam mit gemeinnützigen Organisationen, Stiftungen, Persönlichkeiten und Unternehmen aus allen Bereichen der Gesellschaft. Die Felix Neureuther Stiftung fungiert hier als strategischer Partner. In den Förderrichtlinien meiner Stiftung sind beide Themenbereiche – Bewegungs- und Gesundheitsförderung sowie Natur- und Umweltschutz – verankert und werden durch „Beweg dich schlau! Ein Programm der Felix Neureuther Stiftung“ sowie unser Umweltschutzprojekt „Naturhelden“ umgesetzt. In der Natur brauche ich keine Kopfhörer Felix Neureuther setzt sich öffentlich für den Schutz der Alpen ein.
LBV MAGAZIN 4|25 21 FOTOS: MICHAEL SCHÖDL, MARCUS BOSCH Ihre Stiftung beteiligt sich auch an einem gemeinsamen HorchboxenProjekt mit LBV, der Audi Stiftung für Umwelt und Auszubildenden von Audi. Dabei geht es um das genaue Hinhören in der Natur. Was fasziniert Sie daran besonders? Es fördert die Achtsamkeit und entschleunigt total. Wenn ich durch die Natur gehe, dann höre ich genau hin. In der Natur brauche ich keine Kopfhörer oder Musik, ich liebe die Geräusche der Natur, denn sie versetzen mich sofort ins Hier und Jetzt. Die Blätter der Bäume rauschen im Wind, der Bach plätschert, die Vögel zwitschern, vielleicht hört man auch einen Specht. Die Natur mit allen Sinnen wahrzunehmen und Wissen zu vermitteln, ist mir auch bei meinen Kindern wichtig. Ich frage sie oft: Wie heißt dieser Baum? Welchen Namen hat diese Blume? Und erraten wir, welchen Vogel wir da gerade hören? Und wenn wir es nicht wissen, versuchen wir, es gemeinsam herauszufinden. Warum ist es Ihnen wichtig, Naturschutzprojekte nicht nur ideell, sondern auch aktiv zu unterstützen? Mir ist es wichtig, meinen Teil zum Natur- und Umweltschutz zu leisten – und zwar durch Taten und nicht nur durch Worte. Genau deshalb habe ich mit meinem Vater gemeinsam das Natur- und Umweltschutzprojekt „Naturhelden“ initiiert. Hier lernen Kinder aus der dritten und vierten Klasse spielerisch, wie sie die Natur schützen und so auch ihre eigene Gesundheit stärken können, wie sie Müll vermeiden und recyceln und so aktiv an der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft mitwirken können. So macht Umweltschutz Spaß! Welche Vorbildrolle können Sie – als ehemaliger Spitzensportler und öffentliche Persönlichkeit – für Politik, junge Menschen oder andere Sportlerinnen und Sportler einnehmen, wenn es um Natur- und Umweltschutz geht? Ich bin nicht der Besserwisser, der sich hinstellt und sagt: „So geht’s!“ Und ich bin auch kein Perfektionist und mache alles richtig. Wenn ich durch meine Bekanntheit andere Menschen inspirieren kann: Super! Es geht auch nicht darum, ab jetzt alles perfekt zu machen, sondern einen Anfang zu finden. Auch Kleinigkeiten können bereits einen großen Unterschied bewirken. Sie wurden 2025 zum UN-Botschafter für saubere Berge und Gletscher ernannt. Welche Bedeutung hat dieser Titel für Sie persönlich? Diese Ernennung bedeutet mir sehr viel – nicht nur als Sportler und Naturliebhaber, sondern auch als jemand, der aus einer Familie stammt, die seit Generationen mit den Bergen tief verbunden ist. Meine Vorfahren, die Brüder Schlagintweit, waren Pioniere der Alpin- und Hochgebirgsforschung im 19. Jahrhundert und haben selbst Gletscher und entlegene Gebirgsregionen erforscht – lange bevor es Satelliten oder moderne Ausrüstung gab. Diese wissenschaftliche und emotionale Verbindung zu den Bergen ist Teil meiner DNA. Heute sehe ich, wie sich diese majestätischen Landschaften durch den Klimawandel dramatisch verändern. Als UN-Botschafter für saubere Berge und Gletscher ist es mir daher ein Herzensanliegen, Bewusstsein zu schaffen: für den Schutz dieser einzigartigen Natur, aber auch für unsere Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Es geht nicht nur um den Erhalt der Alpen, sondern um ein globales Verständnis dafür, wie sensibel und wertvoll unsere Bergwelten sind. Wenn Sie in die Zukunft blicken: Welche Veränderungen wünschen Sie sich für den Schutz der Alpen und welchen Beitrag möchten Sie selbst noch leisten? Ich würde mir wünschen, dass sich die Denkweise der Menschen verändert. Dass sie bei Outdoor-Aktivitäten einfach ihren Müll wieder mit nach Hause nehmen. Das klingt banal, ist aber anscheinend so schwer. Kleinigkeiten in der Breite können den großen Unterschied ausmachen. Und ich würde mir wünschen, dass die Menschen in Zukunft die Bilder mehr mit den Augen machen und nicht mit dem Smartphone. Der Antrieb sollte nicht die Jagd nach Fotos sein, die man dann posten kann, sondern die Natur zu genießen und so ihre Wertigkeit zu verinnerlichen. INTERVIEW: FRANZISKA BACK Hightech trifft Alpenvögel Seit einigen Jahren erfasst das Team um den LBV-Alpenreferenten Michael Schödl die Vogelstimmen von Flussuferläufer, Flussregenpfeifer, Uhu, Birkhuhn und Zitronenzeisig für laufende Projekte. Dieses Monitoring wird nun von der Audi Stiftung für Umwelt unterstützt. Dafür haben Auszubildende von Audi vier Horchboxen zur Aufnahme von Vogelstimmen im Gelände zusammengebaut. Erster Einsatzort der Rekorder ist der Alpine Themenweg „Osterfelder Steig“ (Lkr. Garmisch-Partenkirchen), der vor gut einem Jahr eröffnet wurde und wo der LBV seit 2018 Daten zum Birkhuhn erhebt. Die teils interaktiven Informationstafeln werden mit Übungen der Initiative „Beweg dich schlau! Ein Programm der Felix Neureuther Stiftung“ ergänzt. Als Erweiterung des Themenweges ist nun eine Informationstafel zur akustischen Vogelstimmenerfassung geplant. Steinadler
FOTOS: C. STEINHARDT (2), MARKUS LEITNER, KATHARINA HUBMANN Die LBV-Adlerhütte (l.) mit Blick auf den Grasberg Giebel (r.) Kurzinfo Steinadler Mit einer Spannweite von bis zu 230 cm ist der Steinadler nach dem Seeadler der größte in Deutschland brütende Greifvogel. Nachdem die Art in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts kurz vor der Ausrottung stand, haben sich die Bestände dank intensiver Schutzmaßnahmen mittlerweile erholt. Im bayerischen Alpenraum leben derzeit zwischen 42 und 47 Steinadlerpaare. Steinadler dürfen zwar nicht bejagt werden, sind aber durch Lebensraumverlust, Störungen am Horst und Vergiftung durch beim Aasverzehr aufgenommene Bleimunition weiterhin gefährdet. i 22 LBV MAGAZIN 4|25 REPORTAGE
Majestätische Tiere in wunderschöner Umgebung Abenteuerliche Anfahrt In Hinterstein warten gleich zwei Giebelhausbusse; das Interesse an den Steinadlern und ihrem Lebensraum scheint groß zu sein. Heute beginnt das Abenteuer bereits mit der Anfahrt: Auf der reichlich schmalen Straße sind nicht nur ambitionierte Radler unterwegs, sondern auch LKW und Traktoren mit Anhängern. Es ist Alpauftrieb, und wo wie hier der ökonomische Druck keine Zeit für Folklore lässt, werden die Tiere nicht auf die Sommerweiden getrieben, sondern chauffiert. Die dadurch verursachten Ausweichmanöver der Busse sorgen ein ums andere Mal für diverse Schweißausbrüche und bange Blicke hangabwärts – allerdings nur bei uns Reisenden. Die beiden Busfahrer bleiben bemerkenswert cool und bekommen ihren verdienten Beifall. Oben am Giebelhaus treffe ich auch das Mutter-Tochter-Duo vom Sicher gehört es sich nicht, Gesprächen am Nebentisch zu lauschen. Aber nun ist es doch passiert und über den Aufhänger „Studium in Marburg“ entspinnt sich in einem Biergarten in Bad Hindelang am Vorabend der LBV-Steinadlerführung eine angeregte Unterhaltung mit einem Mutter-Tochter-Gespann aus dem nordrhein-westfälischen Rothaargebirge, bei der es auch um Tipps für ihren Aufenthalt in der Region geht. Groß ihr Bedauern, als sie vermeintlich zu spät von der für den nächsten Tag geplanten LBV-Führung erfahren. Umso größer daher die Freude, als ich Ihnen zusage, mich um eine nachträgliche Anmeldung zu kümmern. Am nächsten Morgen breche ich zeitig auf. Ziel ist die LBV-Adlerhütte im Hintersteiner Tal, einer der besten Steinadler-Beobachtungsplätze im gesamten Alpenraum und nur zu Fuß, mit Bus oder Fahrrad erreichbar. Die neben dem Berggasthof Giebelhaus gelegene Adlerhütte, eine ehemalige Forstdiensthütte, wurde dem LBV im Jahr 2004 von den Bayerischen Staatsforsten für Umweltbildungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Hier, genauer am knapp 2.000 Meter hohen Grasberg Giebel, liegt eines von zehn Steinadlerrevieren in den Allgäuer Hochalpen. Seit 1997 wird der Bestand erfasst. 25 Jungvögel wurden bis heute erfolgreich aufgezogen. Sowohl die Fahrt mit der öffentlichen Buslinie 49 von Bad Hindelang nach Hinterstein als auch die zweite Etappe mit dem privat betriebenen Giebelhausbus sind für Übernachtungsgäste wie mich kostenlos. Wir profitieren davon, dass die Allgäuer Hochalpen eines von 24 „Fahrtziel Natur“-Gebieten sind, in denen umweltfreundliche Mobilität gefördert wird in Kooperation mit der Deutschen Bahn und den Umweltverbänden BUND, NABU und VCD. Das Hintersteiner Tal ist eines von zehn Steinadlerrevieren in den Allgäuer Hochalpen. Auch dank des intensiven LBV-Artenhilfsprojekts sind die Bestände der beeindruckenden Greifvögel hier stabil. LBV MAGAZIN 4|25 23 Auf LBV-Steinadlerführung im Allgäu mit Marlon Stawinoga
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