LBV magazin 3-25

18 LBV MAGAZIN 3|25 FOTOS: FRANZISKA BACK, MARTIN WERNEYER Martin Werneyer zeigt dem Japanischen Staudenknöterich die scharfe Kante. Veränderliche Krabbenspinne, Gemeiner Scheinbockkäfer und ein Zipfelkäfer: nur drei von mehr als 1.000 Insektenarten, die im Rainer Wald leben. REPORTAGE lassen, weiß er: Ein naturnaher Wald braucht manchmal Unterstützung, vor allem in Bereichen, wo er zuvor intensiv forstlich genutzt wurde. „An manchen Standorten modellieren wir auch den Boden mit dem Bagger und nehmen die dicke Schicht aus Fichtennadeln ab, damit der Waldboden wieder atmen kann“, erklärt er. Offene Bodenstellen fördern das Leben. Wildbienen lieben sie. Selbst an einem regnerischen Tag wie heute summt und brummt es dort. Zwischen feuchtem Totholz und lichten Kieferninseln entsteht so im Rainer Wald ein Mosaik aus Lebensräumen, das sowohl wärmeliebende Arten wie Goldwespen als auch Seltenheiten wie den Schaufelkäfer anzieht, der auf bodennahe, verrottende Baumstämme angewiesen ist. Die Insektenvielfalt ist enorm: Bei einer Erhebung im Jahr 2023 zählten Forschende des LBV über 1.000 Arten, darunter viele bedrohte. Viele der Maßnahmen sind nur durch eine Förderung der Regierung von Niederbayern aus Mitteln des Bayerischen Umweltministeriums möglich. Im Takt bleiben Um diese Artenvielfalt im Wald zu bewahren, ist es entscheidend, die Natur nicht aus ihrem Takt zu bringen. Pflanzen, Insekten und andere Tiere sind in diesem sensiblem Ökosystem exakt und viele andere Arten. „Das System mit dem Schlitzen der Fichtenstämme habe ich mir im Nationalpark Bayerischer Wald abgeschaut“, erklärt Martin und zeigt auf die herumliegenden Fichtenstämme, über die sich lange helle Streifen ziehen. „Mit einem speziellen MotorsägenAufsatz ritzen wir feine, etwa einen Zentimeter breite Linien flächendeckend in die Rinde über den Stamm.“ Der Großteil der Rinde bleibt am Baum, doch der Effekt ähnelt einer Entrindung: Die Larven des Borkenkäfers können sich nicht mehr durch die äußeren Rindenschichten fressen, ihre Entwicklung stoppt. „So verhindern wir, dass sich der Borkenkäfer weiterverbreitet – vor allem in die angrenzenden Privatwälder“, sagt Martin. Gleichzeitig bleibt das Totholz als Lebensraum erhalten. Zurück zur Vielfalt Diese Fläche überlässt der Flächenbetreuer größtenteils der Natur und der Wald darf sich selbst verjüngen. „Die Natur weiß ziemlich genau, was sie tut“, sagt Martin. Die Bäume, die von selbst keimen und wachsen, sind oft besonders gut an ihren Standort angepasst. Trotzdem greift er an manchen Stellen gezielt ein. Auf einer Fläche gegenüber zum Beispiel pflanzt er Ulmen. Ziel ist ein möglichst breites Artenspektrum – eine wichtige Strategie in Zeiten des Klimawandels. „Ich frage mich bei jeder Fläche: Welche Baumarten kämen hier natürlicherweise vor oder könnten früher hier gewachsen sein?“ Gepflanzt werden deshalb ausschließlich autochthone Gehölze – also Bäume, die aus regionalen Wildbeständen stammen. Damit sie nicht von Rehen angeknabbert werden, schützt Martin die jungen Pflanzen mit Wuchshüllen aus Holz oder pflanzt sie in kleine, eingezäunte Pflanzinseln. Denn auch wenn Martin es schätzt, den Wald sich selbst zu überzum lebendigen, feuchten Auwald wirkt dieser Waldboden leblos, versiegelt. Jahrzehntelang stand hier ein Nutzwald. Fichten, schnell wachsend und ertragreich, bestimmten das Bild. Doch jetzt stellt die Klimakrise den Bestand auf die Probe: Dürre, Stürme, Borkenkäfer. Fichten würden hier in dieser hohen Anzahl natürlicherweise nicht vorkommen – jetzt zahlt der Wald den Preis dafür. Tote Bäume ragen kahl in den Himmel, andere liegen geknickt am Boden, einige enden abrupt als Stümpfe. Ein dystopisches Bild, doch für Martin bedeutet es eine Chance. Hier soll ein natürlicher, vielfältiger Wald nachwachsen. Doch die alten, abgestorbenen Bäume bleiben wertvoll. Totholz gehört zu den wichtigsten Strukturelementen in einem naturnahen Wald. Es bietet Unterschlupf für Käfer, Höhlenbrüter

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