LBV magazin 3-25

vom Bergmischwald bis zum Buchenwald. Sie sind Lernorte und Freilandlabore, um die Waldentwicklung, Lebensgemeinschaften und den Einfluss des Klimawandels zu studieren. Da viele von ihnen bereits in den 1970er Jahren ausgewiesen wurden, liegt hier ein großer Wissensschatz vor, der von der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft gehütet wird. Mit dem Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ wurde die neue Kategorie „Naturwälder“ geschaffen, wodurch zum Beispiel an der mittleren Isar bei Freising 2.300 Hektar und an der Weltenburger Enge über 1.000 Hektar naturnahe Wälder unter Schutz gestellt wurden. Hinzu kommen die beiden Nationalparks (Bayerischer Wald 24.000 Hektar, Berchtesgaden 21.000 Hektar) als zentrale Säulen des großflächigen Waldnaturschutzes. Das Prinzip „Natur Natur sein lassen“ ist ein Erfolgsmodell. Ihre Ausweisungen waren wegweisende Entscheidungen, die weit über Bayern hinaus Signalwirkung hatten und haben. Mit über 75 Prozent Naturzone ohne menschliche Eingriffe erfüllen sie die hohen Standards der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN). Anders sieht es in bewirtschafteten Wäldern aus, wo nicht einmal 5 Prozent der Bäume älter als 140 Jahre sind. Bei einem erreichbaren Baumalter von ca. 450 Jahren bei der Buche (wie im Semenic-Buchenurwald in Rumänien), wird also im „normalen Wald“ nur rund ein Drittel der natürlichen Altersspanne erreicht. Großschutzgebiete (Nationalparks, Biosphärenreservate und Naturparks) ohne direkten Eingriff des Menschen verfolgen klassische Naturschutzziele, nämlich den Erhalt seltener Arten, die auf das sogenannte Zerfallsstadium eines Waldes angewiesen sind – Artengemeinschaften also, die größere Mengen und eine größere Vielfalt an Totholz brauchen. Zugleich sind sie Lernorte für die Walddynamik, insbesondere wenn es um den Einfluss des Klimawandels geht. Und Großschutzgebiete sind besonders sichere Orte für Arten wie den Luchs, wo diese eine deutlich höhere Überlebensrate haben als außerhalb. Insgesamt existieren in Bayern laut Bayerischer Staatsregierung über 83.000 Hektar „ohne lenkenden Einfluss des Menschen“. Bei aller fachlichen Diskussion darf zudem nicht vergessen werden, dass der Wald in unserer Gesellschaft positive Gefühle auslöst. Viele Menschen fühlen sich mit den Bäumen und Wäldern in ihrer Umgebung verbunden, weil sie landschafts- und identitätsprägend sind. Mit der Bewirtschaftung der Wälder und ihrem Schutz ergibt sich somit eine hohe gesellschaftliche Verantwortung. Wälder waren und sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Das gilt erst recht für ihre und unsere Zukunft. PROF. DR. VOLKER ZAHNER Professor für Zoologie, Tierökologie, Entomologie, Hochschule Weihenstephan E-Mail: volker.zahner@hswt.de Positionen des LBV Kooperation mit Nutzern In Zeiten zunehmend extremer Wetterereignisse muss das Wasser besser in der Waldfläche gehalten werden! Kleinsttümpel entlang von Forstwegen sind hier nur eine von vielen Möglichkeiten. Die starke Erschließung, insbesondere von Hangwäldern, ist kritisch zu sehen, da Waldwege quer zum Hang stark zur Austrocknung der Bestände führen. Zahlreiche Einzelprojekte des LBV, z. B. zum Quellschutz im Wald, zeigen, dass eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Naturschutzverbänden und Waldnutzern bzw. den Staatsforsten möglich ist. Gute Fachgrundlagen für effektiven Waldnaturschutz sind ferner die regionalen Naturschutzkonzepte der Forstbetriebe. Wertvolle Beweidung Auch die Waldweide auf ausgewählten Flächen kann ein weiterer wichtiger Baustein in der Naturschutzstrategie sein. Erste Projektflächen existieren entlang der Isar bei Wolfratshausen, wo Murnau-Werdenfelser-Rinder die Schneeheide-Kiefernwälder beweiden. Die Beweidung schafft dort Gradienten, also randlinienreiche Übergänge zwischen dunklem Wald und lichten Weiden, wovon zum Beispiel der Frauenschuh besonders profitiert. Diese Übergänge sind sehr struktur-, nischen- und damit artenreich. Sie sind in den letzten 200 Jahren weitgehend verloren gegangen. Großflächige Schutzgebiete Besonders wichtig sind uns als Naturschutzverband geförderte Ankaufsprojekte, wie z. B. im Rainer Wald bei Straubing, das mit über 250 Hektar größte LBVSchutzgebiet in Bayern. Hier, wie in fast allen LBVWäldern, sind die Förderung naturnaher Wälder und deren Entwicklung das Ziel. Was Großschutzgebiete in Bayern angeht, so fehlt aus unserer Sicht im Netz der Reservate eine größere Schutzgebietsfläche in einem großen Laubwaldgebiet. Die Kernzonen des angestrebten Biosphärenreservates im Spessart könnten so etwas sein, aber auch ein Nationalpark Steigerwald ist eine wichtige Forderung des LBV. Rolle der Jagd und von Prädatoren Ein eigenes Thema ist die Jagd. Die Auseinandersetzungen hierzu sind kontrovers. Festzustellen ist jedenfalls, dass in vielen Gebieten der Wildverbiss oder Fegeschäden die Naturverjüngung und den Waldumbau in eine naturnähere Bestockung be-, wenn nicht gar verhindern. Dies gilt auch für viele krautige Pflanzen wie z. B. den Türkenbund: eine Lilienart, die in vielen Wäldern kaum zur Blüte kommt, weil Rehe die Blütenknospen fressen. Eine unvoreingenommene Diskussion zum Wildtiermanagement, zu den Jagdmethoden und auch der Rolle von Spitzenprädatoren wie Wolf und Luchs ist erforderlich. LBV MAGAZIN 3|25 15 DR. CHRISTIAN STIERSTORFER Waldreferent des LBV, Bezirksgeschäftsstelle Niederbayern E-Mail: christian.stierstorfer@lbv.de

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