10 LBV MAGAZIN 3|25 THEMA DR. NORBERT SCHÄFFER LBV-VORSITZENDER Oftmals wird den Menschen in Deutschland ein ganz besonderes Verhältnis zu ihrem Wald zugeschrieben. Es ist ein romantischer, mystischer und magischer Ort. Für den LBV ist der Wald vor allem ein extrem wichtiger Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten. Gemessen am Zustand unserer Vogelwelt – bekanntlich sind Vögel in vielen Lebensräumen hierfür ein hervorragender Indikator – geht es der Biologischen Vielfalt in unseren Wäldern deutlich besser als beispielsweise im Offenland. Während wir auf unseren Feldern, Wiesen und Weiden in den vergangenen 40 Jahren weit über die Hälfte aller Vögel verloren haben, sind es in Wäldern nur knapp 20 Prozent, wobei sich die Bestände hier seit rund zehn Jahren wieder etwas erholen. Unser Wissen hierüber stammt unter anderem aus dem Monitoring häufiger Brutvögel, welches in Bayern vom LBV, im Auftrag des Bayerischen Landesamts für Umwelt, durchgeführt wird. Tatsächlich sind wir mit dem Natur- und Artenschutz in den vergangenen Jahrzehnten im Wald deutlich weitergekommen. In diesem Zusammenhang möchte ich gezielte Artenschutzmaßnahmen und den Waldumbau hin zu naturnahen Beständen, wie er von den Bayerischen Staatsforsten vorangetrieben wird, besonders würdigen. Auch ihre Verwendung bleifreier Jagdmunition ist absolut vorbildlich. Prozessschutz im Wald Eines der Ziele unseres ausgesprochen erfolgreichen Volksbegehrens Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ war es, zehn Prozent der Staatswaldfläche als Prozessschutzflächen aus der Nutzung zu nehmen. Diese Marke wurde tatsächlich erreicht durch 83.000 Hektar nutzungsfreie „Naturwälder“, einer neuen Schutzgebietskategorie im Waldgesetz. Dafür wurden seit dem Volksbegehren insgesamt 7.000 Hektar nutzungsfreie Wälder zusätzlich ausgewiesen. Die Tatsache, dass in die Gesamtbilanz auch 12.000 Hektar Latschenflächen im Hochgebirge eingerechnet werden, will ich hier einmal außer Acht lassen. Was uns noch immer fehlt, ist ein wirklich großes nutzungsfreies Schutzgebiet in der Buchenwaldzone, ergänzend zu unserem Nationalpark Berchtesgaden im Hochgebirge und dem Nationalpark Bayerischer Wald im Mittelgebirge. Sie ahnen es: Auch an dieser Stelle möchte ich den Herzenswunsch vieler Naturschützerinnen und Naturschützer nach einem Nationalpark Steigerwald wiederholen. Nutzungsfreie Großschutzgebiete sind immens wichtig für den Schutz einer zum Teil hochspezialisierten Artengemeinschaft, aber auch als Referenzfläche für eine natürliche Waldentwicklung, gerade unter den sich ändernden Klimabedingungen. Wenn mir zahlreiche Försterinnen und Förster immer wieder sagen: „Wir wissen nicht, wie unser Wald in 30 oder 40 Jahren aussieht und welche Bäume dann hier wachsen“, drängt sich für mich regelrecht die Forderung nach einer unbeeinflussten Fläche auf, wo wir genau das beobachten und lernen können. Leider ist der Begriff „Stilllegung“ bei manchen Politikerinnen und Politikern zu einem regelrechten Kampfbegriff geworden. Um es ganz deutlich zu sagen: Nein, wir wollen nicht den gesamten Wald aus der Nutzung nehmen. Der überwiegende Teil soll nachhaltig und sorgsam genutzt werden. Auch ich laufe zuhause über einen Eichenboden, für den Eichen gefällt wurden. Und im Winter begeistert mich unser Kachelofen, eine perfekte Ergänzung zu unserer Wärmepumpe. Aber ein paar Prozent nutzungsfreier Wälder sind von immenser Bedeutung, zum Schutz der Biologischen Vielfalt in ihrer ganzen Breite und als Lernort. Biosphärenreservat Spessart Neben einem Nationalpark Steigerwald wünschen wir uns ein Biosphärenreservat Spessart. Anders als in einem Nationalpark müssen in einem Biosphärengebiet nur drei(!) Prozent der Fläche nutzungsfrei sich selbst überlassen werden. Ich finde es schlimm und beschämend, dass einige Politiker wie zum Beispiel Hubert Aiwanger mit viel Polemik hundert Prozent der Zeit über diese drei Prozent der Fläche reden und damit den Eindruck erwecken wollen, als wäre die Holznutzung in einem Biosphärenreservat nicht mehr erlaubt. Die vielfältigen Chancen zur Förderung der KulturlandSTANDPUNKT natürliche Entwicklung Nutzung, Schutz und
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